Gretchenfrage 03. April 2023, von Mirjam Messerli

«Wir müssen mehr Achtung vor Mutter Natur haben»

Gretchenfrage

Jeder Mensch und jedes Rüebli dürfe anders sein, sagt Spitzenköchin Meta Hiltebrand. Sie kocht auch gern mit unperfektem Gemüse.

Wie haben Sies mit der Religion, Frau Hiltebrand?

Ich glaube, dass es etwas Grösseres gibt, das vor allem anderen Leben existiert hat. Etwas, das unsere Sinne nicht fassen können. Ich selber nenne das aber nicht Gott. Ich finde es schön, dass vielen Menschen der Glaube Halt, eine Heimat gibt. Persönlich verleihen mir Herz, Intuition, Liebe und Talent Kraft in meinem Leben. Was man glaubt, hängt sicher auch stark mit der Herkunft und der Erziehung zusammen.

Sie sagen, Sie nennen dieses «Grössere» nicht Gott. Können Sie aber beschreiben, was es für Sie ist?

Am ehesten wohl Mutter Natur. Sie ist die Basis für alles Leben. Sei das nun für uns Menschen, für ein Rüebli oder für ein Schwein. Wir sollten nicht erst dann merken, wie wichtig die Natur ist, wenn sie aus dem Gleichgewicht gerät. Wir alle müssen mehr Achtung und Respekt vor Mutter Natur haben. Oder eben vor der Schöpfung.

Jeder Mensch ist anders, weshalb sollte jedes Rüebli gleich sein?
Meta Hiltebrand

Welchen Einfluss hat diese Haltung auf Ihre Arbeit als Spitzenköchin?

Ich koche gern mit Produkten von Pro Specie Rara. Diese Organisation setzt sich für den Erhalt von alten Sorten ein. Ich esse auch gern einen nicht perfekten Apfel. Oder verarbeite krumme Rüebli. Jeder Mensch ist anders, weshalb sollte dann jedes Rüebli gleich sein? Mutter Natur eben.

Wäre Gott für Sie eher eine Göttin?

(Lacht.) Nein, eigentlich nicht. Ich finde, dieses «Grössere» soll gar keinen Namen und keine Gestalt haben. Jede Religion nennt ihren Gott anders, inhaltlich sind sich die verschiedenen Glaubensrichtungen in vielem jedoch erstaunlich nahe. Nur die Auslegung der Texte macht den Unterschied. Ich habe mich eine gewisse Zeit recht intensiv mit dem Koran befasst. «Vorschriften» wie zum Beispiel das Kopftuchtragen können auch ganz anders verstanden werden. Das Kopftuch schützt die Frauen nur vor der Zügellosigkeit gewisser Männer.

Meta Hiltebrand, 39

Mit 23 Jahren wurde Meta Hiltebrand im Restaurant Monte-Primero in der Zürcher Altstadt die schweizweit jüngste Küchenchefin. 2007 bekam sie ihre erste Kochshow «Kochen.tv», 2011 eröffnete sie das erste Restaurant und 2013 das zweite Restaurant in Zürich. Sie ist weiterhin in TV-Sendern in der Schweiz und in Deutschland am Kochen, ist Kochbuchautorin und Gastrounternehmerin.