Wie haben Sies mit der Religion, Herr Jungen?
Ganz gut. Ich bete, besuche ab und zu den Gottesdienst. Das Leben ist einfacher, wenn man einen Glauben hat. Natürlich kann auch ein Humanist einen Wertekanon entwickeln. Doch ohne Hoffnung auf das ewige Leben wird es irgendwann trist.
Inwiefern hilft Ihnen der Glaube?
Selbst wer nicht gläubig ist, muss zugeben, dass die Zehn Gebote das Zusammenleben recht gut regeln. Und oft denke ich an ein Jesuswort, wenn ich auf unsere Gesellschaft blicke, in der ausgegrenzt und gecancelt wird: «Wer unter euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein» (Joh 8,7). Das Comeback, das Recht auf die zweite Chance ist sehr christlich. Zudem leben wir in einer Zeit, in der viele Menschen gestresst und überfordert sind. Sich ins Gebet zurückziehen, hoffen und um Vergebung bitten zu dürfen, ist ein hilfreiches Ventil. Den ganzen Rucksack allein schleppen zu müssen, ist furchtbar anstrengend.
Sie leiten das Zurich Film Festival. Passt der Glaube zur Glitzerwelt?
Glaube und Glamour passen gut zusammen. Viele Hollywoodstars sind spirituell unterwegs oder gläubig. Bei uns ist die Konfessionszugehörigkeit seltsam schambehaftet und eine Privatsache geworden. Doch man muss nur ein wenig an der Oberfläche kratzen, und das Religiöse ist wieder sehr präsent.
Und das wollen Sie nun am Festival mit der Reihe #MyReligion tun?
Genau. Religion ist in vielen Weltgegenden auf dem Vormarsch. In den USA interpretiert das extrem konservativ besetzte Verfassungsgericht das Abtreibungsrecht nach seinem Gusto, in Russland gibt die orthodoxe Kirche einem Krieg ihren Segen. Gleichzeitig schreitet bei uns die Säkularisierung voran, und es entstehen Ersatzreligionen. Ich hoffe, dass wir eine Diskussion anregen können über den Glauben: seine guten und schwierigen Seiten und die säkulare Konkurrenz, die ihm erwächst.