«Der Krieg ist aus!»

Geschichte

Heute vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) ruft mit einer Erklärung zum verantwortungsvollen Erinnern auf.

Vor 80 Jahren, am 8. Mai 1945, ertönten in der ganzen Schweiz die Glocken: Manche erfahren es durch das Radio, andere durch die gellenden Rufe der Zeitungsverkäufer: «Der Krieg ist aus!». Kirchen, Zeitzeuginnen und Historiker erinnern heute nicht nur an den Moment der Befreiung, sondern auch an die bleibende Aufgabe, Verantwortung zu übernehmen.

Die jüdische Überlebende Margot Friedlander, heute 103 Jahre alt, sagt es einfach und eindringlich: «Nur wer weiss, was geschehen ist, kann auch verhindern, dass es wieder passiert.» Als junge Frau überlebte sie untergetaucht in Berlin, bevor sie 1944 nach Theresienstadt deportiert wurde. Ihre Mutter und ihr Bruder wurden in Auschwitz ermordet. Heute erzählt sie unermüdlich ihre Geschichte – vor Schulklassen, in Interviews, in einem Buch. Nicht aus Anklage, sondern aus Hoffnung: «Man muss das Gute in den Menschen hervorkehren.» 

Margot Friedlander (1921–2025)

Margot Friedlander (1921–2025)

Am 9. Mai ist Margot Friedländer im Alter von 103 Jahren verstorben. Im April wurde sie für ihr Engagement mit dem «Sonderpreis des Internationalen Preises des Westfälischen Friedens» ausgezeichnet. Erinnerungsarbeit war ihre Lebensaufgabe. «Sonst vergisst sich das doch alles wieder schnell», sagte sie vor fünf Jahren im Interview mit «reformiert.»-Redaktor Felix Reich ganz ohne Pathos und ohne Vorwurf in der Stimme. Den Jugendlichen rief Friedländer jeweils zu: «Werden Sie die Zeitzeugen, die wir nicht mehr lange sein können!» 

Im Dossier erzählte Margot Friedlander von den Schrecken der Nazizeit und dem Glück, in der Heimat wieder zu Hause zu sein.

«Erinnern - unterscheiden - widerstehen»

Zum Gedenken an das Kriegsende veröffentlichte die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) eine theologisch und historisch reflektierte Erklärung mit dem Titel «Erinnern – unterscheiden – widerstehen». Darin wird das Kriegsende als ambivalenter Moment beschrieben: als Befreiung, aber auch als Beginn neuer Gewalt in Europa, durch Teilungen, Vertreibungen und ideologische Gegensätze. Die Kirchen rufen dazu auf, Erinnerungen nicht zu vereinheitlichen, sondern im gegenseitigen Respekt auszuhalten. Denn nur eine ehrliche Erinnerungskultur kann Frieden ermöglichen – und verhindern, dass aus politischer Ideologie wieder menschenverachtende Politik wird. Angesichts aktueller Bedrohungen wie dem Krieg in der Ukraine ruft die GEKE dazu auf, die Erinnerung wachzuhalten und aktiv für Frieden, Gerechtigkeit und Menschenwürde einzutreten.

In einer gemeinsamen Erklärung betonen auch die Evangelische Kirche in Deutschland und die Deutsche Bischofskonferenz: «Nicht mit uns, nie wieder!» Sie rufen dazu auf, der Demokratie entschlossen beizustehen und allen Formen von Menschenfeindlichkeit entschieden entgegenzutreten.

Kriegsende in der Schweiz: Die Zeitzeugen Marianne de Mestral und Christian Zangger erzählten «reformiert.» vor 5 Jahren, wie sie das Kriegsende erlebten:

Eindrücklich schildern im Audio von «reformiert.» mit Marianne de Mestral und Christian Zangger zwei Zeitzeugen ihre Erinnerungen an den 8. Mai 1945. Ihre Stimmen geben dem Gedenken eine persönliche und emotionale Tiefe.

Wie herausfordernd der Umgang mit der Vergangenheit in der Schweiz war, zeigt die historische Rede des Zürcher Synodalratspräsidenten Max Wolff vom 16. Mai 1945. Anders als viele Zeitgenossen sprach er darin offen von «eigener Mitschuld». Gemeint war unter anderem die Zurückweisung jüdischer Flüchtlinge an der Grenze. In der offiziellen Erinnerung dominierte lange das Bild der neutralen Schweiz als «Rettungsboot». Erst viel später wurde diese Selbstsicht kritisch hinterfragt.

«Ungeheures ist in diesen Tagen geschehen. Der grösste und furchtbarste Krieg, der je in Europa gewütet hat, ist zu Ende gegangen. Nationalsozialismus und Faschismus sind zerschmettert, Freiheit und Demokratie haben gesiegt.»

Eröffnungsansprache:
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