Wie hoch ist Ihr Glücksindex auf einer Skala von eins bis zehn?
Arun Bhattarai: Gerade jetzt ist mein Glücksindex ziemlich hoch, weil unser Film herausgekommen ist, vielleicht eine Neun.
Dorrotya Zurbó: Mein Glücksindex schwankt ständig. Aber im Moment ist er ebenfalls hoch, aus dem gleichen Grund wie bei Arun.
Das kleine Königreich Bhutan im Himalaja ist das einzige Land der Welt, das ein sogenantes Bruttonationalglück kennt. In Ihrem Film «Agent of Happiness» begleiten Sie zwei Beauftragte der Regierung, die in Städte und entlegene Dörfer reisen, um den Glücksindex der Bevölkerung zu ermitteln. Wie ist die Idee zu diesem Filmprojekt entstanden?
Zurbó: Bei den Arbeiten zu unserem vorherigen Film, der auch in Bhutan spielt, trafen wir an einem Drehort zufällig zwei Glücksforscher, die mit einigen Leuten mehrstündige Gespräche für das Bruttonationalglück führten. Es waren sehr einnehmende Gespräche, und Amber, einer der Glücksagenten, hinterliess bei uns einen bleibenden Eindruck, auch wegen seines Humors. Wir hielten den Kontakt zu ihm, und als wir «Agent of Happiness» konkretisierten, war klar, dass wir ihn einbinden würden.
Arun Bhattarai, Sie sind in Bhutan aufgewachsen. Dort kennt man das Bruttonationalglück (BNG) seit den 1970er-Jahren. Wie kam es dazu?
Bhattarai: Während eines Auslandaufenthalts 1972 wurde Bhutans damaliger König gefragt, wie hoch das Bruttoinlandsprodukt von Bhutan sei, worauf er sagte, in seinem Land sei das Bruttonationalglück wichtiger als das Bruttoinlandsprodukt. Bhutan ist stolz auf seine Kultur und seine Identität. Das Bruttonationalglück hilft, beides zu bewahren und auch die Natur zu schützen. Eine intakte Umwelt ist für das Wohlbefinden von zentraler Bedeutung. Seit 2008, dem Beginn der parlamentarischen Demokratie, ist das BNG eng mit der Politik im Land verknüpft.
Wie hat die Glückspolitik Ihr eigenes Leben beeinflusst?
Bhattarai: Das Bruttonationalglück war immer präsent, ob in der Schule oder in Fernsehsendungen. Grundsätzlich finde ich es gut, dass sich die Regierung um das Glück der Menschen bemüht. Ich hegte aber auch ambivalente Gefühle. Wie Amber im Film gehöre auch ich zur nepalesischen Minderheit. Bisher erhielten Nepalesen selten die Staatsbürgerschaft von Bhutan. Unsere Kultur scheint nicht den gleichen Stellenwert zu haben.
Amber leidet sehr darunter. Auch als Zuschauerin ist es irritierend zu sehen, dass die Regierung ihre Glückspolitik offenbar nicht auf alle Menschen ausrichtet. Ist das ein Thema in der Gesellschaft Bhutans?
Bhattarai: Seit 2008 äussern sich die Menschen der Regierung gegenüber kritischer, sie stellen vermehrt Fragen. Ich selbst habe die Staatsbürgerschaft mittlerweile erhalten und Amber inzwischen auch. Die Philosophie des Bruttonationalglücks ist sicher nicht perfekt, sie wird jedoch ständig weiterentwickelt.
Wie hat die Regierung Ihr Filmprojekt aufgenommen?
Bhattarai: Sie liess uns komplett freie Hand und nahm keinen Einfluss auf die Dreharbeiten. Die offiziellen Stellen wussten, dass wir an den Menschen interessiert sind und im Film aufzeigen wollten, wie die Glücksagenten arbeiten, und nicht, wie der Glücksindex berechnet wird.
Gab es Reaktionen, weil der Film auch die Situation der Nepalesen in den Blick nimmt?
Bhattarai: Von offizieller Seit nicht, denn die Regierung hat den Film bisher nicht gesehen.