Textperlen, aufgepickt aus einem «stocknüchternen» Anzeiger

Literatur

Philosophisch-poetische Denkanstösse in einem Stadtanzeiger? Doch, das gibt es. Die Essays der Journalistin Sonja Laurèle Bauer über das Unfassbare ist als Sammelband erschienen.

Wir Menschen, eingebettet in die Natur, von der wir Teil sind und doch auch wieder nicht, sondern bestrebt, aus ihr herauszutreten und sie zu beherrschen oder zumindest, ihr immer mal wieder ein Schnippchen zu schlagen – wir Menschen fragen uns immer wieder, wo unser Platz in diesem grossen Ganzen ist. In dieser Weltordnung, zu der nicht nur unser Heimatplanet Erde, sondern das ganze Universum gehört, dazu der Komplex von Paralleluniversen, über die in der Physik heute spekuliert wird.

Woher kommen, wir, wohin gehen wir? Was bleibt, falls etwas bleibt? Das sind die grossen, letzten, kaum beantwortbaren Fragen. Gerade deshalb faszinieren und beschäftigen sie so sehr, seit urdenklichen Zeiten in allen Kulturen. Auch die Berner Journalistin Sonja Laurèle Bauer ist ausgezogen, das Staunen zu lernen – und auch, ihre ganz eigenen Antworten auf ihr Staunen und Fragen zu finden.

Die Ergebnisse ihrer gedanklichen Auseinandersetzung mit dem Mysterium von Leben, Lieben, Werden, Vergehen und Tod hat sie in den letzten Jahren als kurze Essays veröffentlicht. Diese sind nun im gut 100-seitigen Band «Schattenspiel im Sternenlicht. Philosophisch-poetische Denkanstösse» vereint und unlängst im Berner Lokwort Verlag erschienen. Das Vorwort stammt vom bekannten deutschen Liedermacher Konstantin Wecker.

Philosophisches zwischen Baugesuchen

«Nur schon die Vorgeschichte der Publikation ist spannend», schreibt der Verlag in seiner Medienmitteilung. Denn sämtliche Beiträge seien in den letzten zwei Jahren «wie Fremdkörper in einem stocknüchternen städtischen Anzeiger» erschienen, als ganzseitige Gedankengänge im Umfeld von Baugesuchen, Todesanzeigen und Informationen über anstehende Abstimmungen. Die Essays hätten dermassen viel Echo erhalten, dass sich die Publikation in Buchform geradezu aufgedrängt habe.

Wie sind wir mit dem Unermesslichen vernetzt? Um diese Kernfrage kreisen die Texte. Im Essay «Sterben wir Menschen wie die Sterne?» greift Sonja Laurèle Bauer das physikalische Prinzip des Energieerhaltungssatzes auf und verknüpft es mit dem Mysterium des Sterbens. «Und da wir wissen, dass Energie nicht einfach verpufft, könnte es doch sein, dass sterbende Menschen, gleich einer Sternschnuppe oder einem sterbenden Stern, ihre freigesetzte Energie weitergeben – und zwar direkt an jene, die sie lieben», sinniert sie. «Weil diese die Energie anziehen wie die Erde den Kometenstaub. Die leuchtende Spur strahlt dann in sie hinein. Und wer weiss, vielleicht manchmal darüber hinaus?»

Im Kapitel «Ahnt ein Baum in der fallenden Frucht den Frühling?» sagt es die Autorin so: «Das Universum verschwendet nichts, und darin verschwindet nichts. Wohin denn auch? Kein Gedanke kann sich aus dem Staub machen. Aber vielleicht gibt es da etwas, das sich nicht erdenken, sondern nur erfühlen lässt?» Sonja Laurèle Bauer ist «längst überzeugt», dass «‹Gott›, das grosse Geheimnis», die Welt nicht erdacht, sondern erfühlt habe.

«Intuitiv-spirituelle Angnostikerin»

Gott, das grosse Geheimnis, strömt wie ein Fluidum durch das Buch, unausgesprochen, diskret und doch allgegenwärtig. Bei allen Themen, ob es nun um das Weltall, Physik, Metaphysik, soziale Interaktion am Bistrotisch oder Tagträume geht, klingt das Göttliche, Unaussprechbare an, diskret und doch prägnant, im Moment aufleuchtend wie eine mystische Erfahrung. Die Autorin, die sich selbst als «intuitiv-spirituelle Agnostikerin» bezeichnet, lädt ihre Leserschaft mit ihren Texten ein, während des Lesens eigene Spuren der Nachdenklichkeit zu legen. Und dankbar über das all die Lebensdinge zu staunen, die sich letztlich unserem Verstand entziehen.

Sonja Laurèle Bauer: Schattenspiel im Sternenlicht. Philosophisch-poetische Denkanstösse. 104 Seiten, Hardcover. Lokwort Verlag, 2024.