Im 19. Jahrhundert war die Oper sehr populär. Laut Friedrich Nietzsche war darin der Protest des Laien gegen eine kalt gewordene Musik zu erkennen, der man wieder eine Seele wünschte: «Ohne jene tiefreligiöse Umstimmung, ohne das Ausklingen des innerlichst erregten Gemüts» würde, so Nietzsche, «die Musik gelehrt» und steril bleiben.
Letzthin, am 25. August, jährte sich der Todestag des Philosophen Friedrich Nietzsche zum 125. Mal. Der Denker, der aus einer traditionsreichen Pfarrersfamilie stammte, steht vorab für eine radikale religionskritische Haltung («Gott ist tot»). Weniger bekannt ist, dass die Musik eine enorme Bedeutung für diesen provokanten Denker hatte.
Die Kultivierung der Gefühlswelt, eine authentische Sprache und eine spirituell grundierte Kunstverehrung bildeten in Nietzsches Epoche die Grundlagen der neuen «Kunstreligion». In ihr übertrug sich das spirituell-religiöse Bedürfnis des Bürgertums auf die Künste, vorab auf Oper und Sinfonie. Der Philosoph stellt fest: «Die Kunst erhebt ihr Haupt, wo die Religionen nachlassen. Sie übernimmt eine Menge durch die Religion erzeugter Gefühle und Stimmungen, legt sie an ihr Herz und wird jetzt selbst tiefer, seelenvoller.»
Eine «Sternenfreundschaft»
Bald polarisierte der Wagnerianismus als neue quasi-religiöse Bewegung die Öffentlichkeit, und der junge Nietzsche schloss sich begeistert an. Er lernte Richard Wagner in Leipzig kennen und besuchte ihn später in seinem Haus bei Luzern insgesamt dreiundzwanzig Mal – es war die Hochphase jener «Sternenfreundschaft», auf die Nietzsche in seinem Buch «Die fröhliche Wissenschaft» anspielte. Er brauchte damals ein Genie, zu dem er aufblicken konnte, und Wagner brauchte einen Intellektuellen, der die Hochwertigkeit seines musikalischen Projekts beglaubigte.