Kultur 20. Oktober 2025, von Vera Rüttimann/kirchenbote.ch

Der alte Mann, seine Klarinette und eine Friedensmission

Musik

Der Klarinettist Giora Feidman spielt wieder in der Schweiz. Seine Klezmer-Konzerte sind emotionale Reisen zwischen Melancholie und Lebensfreude, die zum Staunen einladen.

Giora Feidmans Konzerte sind mehr als Musikdarbietungen – sie sind Begegnungen voller Tiefe, Nähe und Dankbarkeit. Der fast 90-jährige Musiker, der oft in gebeugter Haltung auf der Bühne steht, bietet weit mehr als virtuose Melodien. Mit wenigen Tönen entfaltet er ganze Welten. Er nimmt sein Publikum mit auf eine Reise, die berührt und bewegt. 

Ein Feuerwerk des Klezmers 

Giora Feidman ist ein Weltstar. Er spielte in der Carnegie Hall, in jüdischen Gedenkstätten und vor dem Papst in Rom. Auch in der Schweiz hat er eine treue Fangemeinde. Seine Tournee führt ihn nach Flüeli Ranft unter anderem in die Heiliggeistkirche in Bern, das Fraumünster in Zürich und Don Bosco in Basel. 

Ich bin Jude, aber wenn ich spiele, bin ich Musiker.
Giora Feidman

In seinen rund zweistündigen Konzerten erleben die Gäste ein Feuerwerk aus traditionellem Klezmer, Tangomusik und Kompositionen von Majid Montazer, die auf seinen aktuellen CDs erschienen sind. Viele kennen seinen unverwechselbaren Klang aus Filmen wie Steven Spielbergs «Schindlers Liste», «Jenseits der Stille» oder «Die Comedian Harmonists». 

Musik als Mission 

Giora Feidman spielt nicht nur, er verfolgt eine Mission. «Musik schafft Freundschaften – zwischen Menschen aller Religionen, Kulturen und Traditionen», sagt der Musiker, der in Hamburg und Tel Aviv lebt. Dialog, Verständigung und Versöhnung prägen seine Konzerte ebenso wie seine Ansprachen. «Deutschland ist meine Heimat, überhaupt keine Frage», erklärt er. «Ich bin Jude, aber wenn ich spiele, bin ich Musiker. Sie und ich, wir waren nicht beteiligt am Desaster der Vergangenheit. Warum sollten wir dafür büssen? Wir übernehmen die Verantwortung, wir arbeiten zusammen.»

Giora Feidman sieht seine Musik als Instrument für den Frieden, indem er durch seine Klezmer- und Tango-Musik eine Botschaft der Liebe, der Versöhnung und der Völkerverständigung vermittelt. Er betont, dass Liebe und gegenseitiges Verständnis der Weg zu einem Ende der Kriege sind, basierend auf seinen Erfahrungen der Versöhnung zwischen Juden und Deutschen.

Giora Feidman in der Schweiz

Tourdaten Schweiz:

20.10.2025: Flüeli-Ranft, Zentrum Ranft

21.10.2025: Solothurn, Konzertsaal

22.10.2025: Bern, Heiliggeistkirche

23.10.2025: Lenzburg, Schloss Lenzburg

24.10.2025: Chur, Comanderkirche

25.10.2025: Zürich, Fraumünster

26.10.2025: Basel, Don Bosco

Weitere Informationen gibt es auf der Website von Giora Fiedman.

Im Zentrum Ranft treffen zwei Botschaften aufeinander: die Stille des Ranft, die Niklaus von Flüe zur Quelle seiner Friedensbotschaft machte, und Feidmans Klarinette, die seit Jahrzehnten weltweit an Frieden und Liebe erinnert. «Es ist ein Ort des Friedens und der Versöhnung», sagt der jüdische Musiker. «Hier fühle ich mich spirituell zu Hause.» 

Geschichten aus seinem Leben 

1936 in Buenos Aires geboren, ist Giora Feidman der Sohn jüdischer Einwanderer aus Bessarabien (heute Moldawien), die vor den Pogromen um 1905 flohen. 1956 wanderte er nach Israel aus. Nach seiner Zeit als Soloklarinettist, unter anderem bei der Israel Philharmonic, widmete er sich der Klezmer-Musik, die ihn tief prägte. Mit seiner Spielweise hauchte er diesem Genre neues Leben ein. 

Wenn wir zuhören, wirklich zuhören, dann verstehen wir einander.
Giora Feidman

Zwischen den Musikstücken erzählt Feidman gern Anekdoten aus seinem bewegten Leben: von den frühen Tagen in Tel Aviv, vom Musizieren auf der Straße und von prägenden Begegnungen. Diese Geschichten schaffen Nähe. Man fühlt sich nicht nur als Zuhörer, sondern als Teil einer lebendigen Erzählung. Feidman spricht leise, eindringlich, mit einer Demut, die von tiefer Dankbarkeit zeugt. 

Auch im Zentrum Ranft wird es wohl wieder knistern, wenn der Musiker über das Weltgeschehen nachdenkt. Was sagt er zur Waffenruhe in Gaza? Wie brüchig ist der Frieden? Kann dieser Erfolg auf den Ukraine-Krieg übertragen werden? Und welche Rolle spielt die Kunst in Zeiten wie diesen, besonders in Krisenregionen? 

«Wenn wir wirklich zuhören» 

Giora Feidman sagt, er wolle den Menschen immer etwas Positives mitgeben. Wir bräuchten mehr Musik, mehr Kultur in diesen Krisenzeiten. Und er fügt hinzu: «Wenn wir zuhören, wirklich zuhören, dann verstehen wir einander.» Diese Haltung macht ihn zu einem Friedensbotschafter – nicht politisch, sondern zutiefst menschlich. 

Er wird auch mit 90 Jahren weiterhin zu seiner Klarinette greifen. Gott brauche ihn für diesen Job, erklärte er reformiert. Er sei oft zu Kriegszeiten in Israel gewesen und habe dort auch in Spitälern gespielt – für Juden und Araber. «Bevor sie dort landeten, waren sie Feinde, als Verwundete wurden sie Brüder. Jeder Mensch hat eine Seele – sie kennt keine Religion, keine Nation.»