Kapellenweg im Seetal – wandern und innehalten

Spirituelle Wege

An einem sonnigen Herbsttag durchs luzernische Seetal wandern und in Kirchen und Kapellen innehalten – so tankt man äusserlich und innerlich Licht für die dunkle Jahreszeit.

Auf dem Dach des Klosters Baldegg klappern Störche in ihren Nestern, unten auf dem Parkplatz plaudert eine Gruppe Seniorinnen, die im «Klosterkafi» einkehren will. Jugendliche strömen aus der Kantonsschule, die ebenfalls auf dem Areal untergebracht ist und warten auf die nächste S-Bahn. Das Kloster der Baldegger Schwestern ist ein lebendiger Ort und ein möglicher Startpunkt, wenn man den «Kapellenweg» im Seetal unter die Füsse nehmen will.

Rund fünf Stunden reine Wanderzeit wird in der Broschüre für den ganzen Rundweg angegeben. Ich habe mich entschieden, die Strecke ungefähr zu halbieren, vier der zehn Stationen zu besuchen und bis zum Schloss Heidegg zu wandern. Wie sich später zeigen wird eine richtige Entscheidung…

Mein erstes Ziel ist die Kapelle Maria zum Schnee in Ibenmoos, die den Ausschlag für meine Routenwahl gegeben hat. Ich fand den Namen so schön. Der Klang von Kirchenglocken begleitet mich auf dem Weg von Kloster und Ort Baldegg hinaus über Strässchen, Wiesen und hinauf zum Hügelzug, der parallel zum Baldeggersee verläuft. Die Gegend zwischen Emmen und Lenzburg ist bekannt für Obst- und Weinbau. Überall sind die Bauern an der Ernte. In Holzkisten leuchten Äpfel und Birnen um die Wette.

Die etwas über 200 Höhenmeter hinauf nach Ibenmoos fühlen sich in der warmen Herbstsonne anstrengender an als gedacht. Dazu kommt, dass ich mich mehrmals verlaufe. An mehreren Abzweigungen treffe ich einen wahren Schilderwald an: die gelben Wanderwege, einen Adolph-Kolping-Besinnungsweg, diverse Velorouten, den Kapellenweg im Seetal.

Verirrt

Dummerweise sind genau die Pfeile des Kappelenwegs unklar ausgerichtet oder vielleicht von einem Scherzkeks verdreht worden. Ich irre über Feldwege und versuche mich mit der Wander-App zu orientieren. Nach einem ziemlichen Umweg und etwas Gefluche treffe ich auf ein grosses Holzkreuz mit der Inschrift: «Ich bin der Weg». Ach so! Sagt das doch gleich! Wahrscheinlich mit göttlicher Hilfe finde ich schliesslich zurück zum Kapellenweg.

Serie: Wanderwege mit spirituellem Bonus

Der Herbst lädt ein mit Farbenpracht und angenehmen Temperaturen: Zu Fuss die Welt auch nahe der Haustür zu entdecken. Die Berner Redaktion von «reformiert.» hat als Inspiration ein paar Vorschläge rekognosziert, die nicht nur frische Luft und Aussichten bieten, sondern zudem Erkenntnisse zu Religion, Glauben und Spiritualität.

Irr- und Umwege lohnen sich aber: Die Aussicht vom höchsten Punkt ist phänomenal. In der Ferne sieht man den Pilatus und in der Ebene den Baldeggersee glitzern. Bei einem Bauernhof begrüsst mich ein Berner Sennenhund – zuerst knurrend, dann bellend und schliesslich möchte er einfach etwas gestreichelt werden. Bis zur ersten Kapelle – der Maria zum Schnee – bin ich gut zwei Stunden unterwegs und frage mich, wie man die ganze Runde in fünf Stunden schaffen soll.

Nur wenige Schritte vom Alters- und Pflegeheim Ibenmoos entfernt liegt die Wallfahrtskapelle Maria zum Schnee. Erstmals erwähnt wurde sie 1661 in einer Publikation von Johann Leopold Cysat, wie der interessanten Broschüre zum Kapellenweg zu entnehmen ist. Diese liegt an allen Stationen auf. Ich zünde eine Kerze an und denke an alle Menschen, die nicht mehr bei mir sind, und die ich vermisse. In einem «Gästebuch» haben andere Besucherinnen und Besucher ihre Gedanken notiert. Gerne würde ich länger durch die Seiten blättern, aber es liegen noch zwei weitere Kapellen vor mir. Mein Weg führt weiter durch einen Wald, einem plätschernden Bächlein entlang und über eine Wiese mit schottischen Hochlandrindern.

Die Kapelle St. Wendelin liegt mitten im Dorf Lieli, neben der Hauptstrasse. Nachdem die schwere Holztüre hinter mir zugeschlagen ist, ist es im Inneren völlig still. Je länger ich unterwegs bin, desto entschleunigter fühle ich mich. Ich setze mich in einen der Bänke und denke, dass es ja auch egal wäre, wenn ich eine Kapelle weniger besuche und dafür hier länger bliebe. Durst und Hunger treiben mich schliesslich weiter. Ich hoffe, im nächsten Ort eine offene Bäckerei oder ein Restaurant anzutreffen.

Zum Schluss gibt’s für mich ein Schloss. Imposant thront das Schloss Heidegg oberhalb von Gelfingen. Bevor ich die Schlosskapelle St. Karl Borromäus besichtige, kaufe ich im Hoflädeli Birnen und geniesse gleich eine auf einem Bänkli mit Blick auf den Weinberg. Ein Glas Zwetschgenkonfi als Souvenir muss auch noch in den Rucksack.

Am Brunnen im Schlosshof kann ich endlich meinen Durst stillen. Für die geplanten zweieinhalb Stunden hatte ich viel zu wenig Wasser dabei. Als ich den Bahnhof Gelfingen erreiche, bin ich über vier Stunden gewandert. Die zweite Hälfte des Kapellenwegs werde ich sicher auch noch einmal in Angriff nehmen. Die Kombination aus Wandern und Innehalten erfordert aber deutlich mehr Zeit als im Prospekt angegeben ist.