Eigentlich beruht die Weihnachtsgeschichte rund um die Geburt Jesu Christi ja auf zwei Geschichten: auf dem Matthäusevangelium, in dem es um Magier geht, die dem Messias mit Gold, Weihrauch und Myrrhe huldigen, und auf dem Lukasevangelium, in dem Jesus bereits bei seiner Geburt von Armen und Ausgegrenzten – den Hirten – willkommen geheissen wird.
Diese zweite Version ist bekannter – vielleicht auch, weil in ihr das Bild von Jesus als Messias der Armen angelegt ist, als einem, der sein Leben lang verfolgt werden wird, der sich gegen Obrigkeiten auflehnt, widerständig ist und barmherzig. Jedenfalls gibt es eine lange Tradition, welche die Nähe von Jesus zu den sogenannten Randständigen betont.
Mehr Macht, mehr Geld, mehr Prestige
Nun ist es aber so eine Sache mit dem Rand. Ich muss gestehen, dass ich diesen Ausdruck nicht sonderlich mag. Wer am Rand der Gesellschaft lebt – Obdachlose zum Beispiel, Süchtige oder Sexarbeiterinnen –, das bestimmen nämlich seit jeher diejenigen, die sich «in der Mitte» bewegen und also gegenüber den anderen schon deshalb im Vorteil sind, weil sie mehr Macht haben, mehr Geld oder Prestige.
Trotzdem wäre es sonderbar, zu bestreiten, dass es sie gibt: diejenigen, die am Abgrund stehen, die Abgehängten und Elenden. Es gibt sie schon deshalb, weil wir anderen sie brauchen. Eine Gesellschaft will nämlich wissen, wo oben ist und wo unten. Diese Verortung klappt am zuverlässigsten, wenn man sich Vorurteilen bedient. Der Witz von Vorurteilen besteht nämlich darin, dass wir uns mit deren Hilfe gegenüber den anderen nicht bloss abgrenzen, sondern sie auch ausgrenzen können.