Schauplatz Berg Athos: Putin ein gläubiger Pilger?

Krieg in der Ukraine

Das russische Kloster Sankt Pantaleon im Norden Griechenlands ist eine beliebte Bleibe für Oligarchen. Putin selbst unternahm 2005 und 2016 eine «Pilgerreise» dorthin.

2010 stand ich mit goldener Sonnenbrille im innersten Heiligtum eines griechischen Bergklosters, während ein Mönch im schwarzen Gewand uns seine wertvollsten goldglänzenden Ikonen präsentierte. Ich verstand kein Wort von dem, was er sagte und fühlte mich etwas fehl am Platz mit dieser Brille. Meine korrigierte Alltagsbrille hatte ich irgendwo auf einer holprigen Strasse auf der Brücke eines Kleinlasters verloren, weshalb ich an diesem schummrigen Ort meine geschliffene Sonnenbrille tragen musste, um wenigstens ein bisschen etwas zu sehen. Und so blickte ich durch Goldgläser auf das Blattgold der klösterlichen Schatzkammer.

Eine sonderbare Szene an einem der surrealsten Orte dieser Erde: In der freien Mönchsrepublik Athos, dem Heiligen Berg der Orthodoxie im Norden Griechenlands, scheint die Zeit im Mittelalter stehen geblieben zu sein. Seit Jahrhunderten kleben türmchenbewehrte Klöster an den Steilküsten der Halbinsel und an den Berghängen. Wer hineinwill in das von Mönchen verwaltete Gebiet, braucht ein Visum, und Frauen erhalten grundsätzlich keinen Zutritt. Staatsoberhäupter des weltweit einzigen Männerstaates sind der Patriarch von Konstantinopel und der griechische Premierminister.
 
Die Legende besagt, dass die heilige Gottesmutter Maria an den Gestaden des Athos Schiffbruch erlitt und diesen rettenden Ort als so wunderschön erlebte, dass sie ihn sich von Gott als ihren Garten wünschte. Bis heute betrachten sich die orthodoxen Mönche als Marias Gärtner. Gärtnerinnen braucht es offenbar keine. Für mich ein sonderbares Gefühl: sich in einer Welt zu bewegen, in der einem weder Frauen noch Grossmütter noch Mädchen begegnen.
 
Was uns 2010 schon bei der Anfahrt per Schiff auffiel: Einige der Klöster machten einen recht verlotterten Eindruck, während ein anderes mit frisch vergoldeten Zwiebeltürmchen protzig herausgeputzt daherkam. Es stellte sich heraus: Hier waren russische Petrodollars am Werk. Einige Oligarchen haben nämlich eine Schwäche für die Schönheit des Athos und die Zeitblase, welche die orthodoxen Klöster bieten.

Das russische Kloster Sankt Pantaleon ist eine beliebte Bleibe für die Mächtigen. Auch der russische Präsident Putin unternahm unter anderem 2005 und 2016 (zum 1000-jährigen Bestehen des Klosters) eine Pilgerreise auf den Athos. Sankt Pantaleon stand unter der persönlichen Schirmherrschaft des Zaren, Putin übernahm die zaristische Rolle und liess das Kloster umfassend renovieren, während die griechischen Klöster weiter im Dornröschenschlaf vor sich hin bröckelten.

Der Kremlchef präsentiert sich gern als Bewahrer der Orthodoxie und christlicher Werte, sein «Heiliges Russland» als Gegenpol zum dekadenten, ungläubigen Westen. Putin, ein gläubiger Pilger? Derzeit zeigt er sich als grausamer Kriegsherr, dem kaum noch etwas heilig ist. Als einer jener Männer, die seit Jahrtausenden im Irrglauben in den Krieg ziehen, dass Gott auf ihrer Seite stehe. Gärtner, Frauen oder Pilger hingegen kommen mir als Kriegstreiber nicht viele in den Sinn.