Von einer feinen Freundschaft in rauhem Umfeld

Kino

Ein einstiger harter Held, der kaum spricht, kehrt heim aus dem Gefängnis in seine Stadt am Rand der Wüste Gobi. Und dann entsteht diese feine Beziehung mit dem streunenden Hund.

Eine weite, trockene, karge Landschaft, kühl gehaltene Farben, ein Bus mit Staubfahne fährt ins Bild – und auf einmal tauchen überall Hunde auf, bringen den Bus ins Trudeln, er fällt auf die Seite, die Hunde verschwinden.

Zu Beginn des chinesischen Films «Black Dog» wähnt man sich in einem Western. Daran erinnert in der ganzen Geschichte auch der rauhe Umgang mit Tieren und vor allem die Wortkargheit des Mannes, der einer der Passagiere im verunfallten Bus ist – und der den Film mit seiner Hauptrolle zu einem grossen Teil mitträgt: Lang (gespielt von Eddie Peng), der nach zehn Jahren im Gefängnis in seine Heimatstadt Chixia am Rand der Wüste Gobi in Westchina zurückkehrt.

Mit Hunden und Schlangen

Eine Warnung und eine Empfehlung vorneweg: Wer Darstellungen eines nicht nur netten Umgangs mit Hunden und von Schlangen, die zum Verzehr gezüchtet werden, nicht erträgt, sollte allenfalls vom Film absehen. Aber wen eine bildstarke Geschichte mit grosser Rauheit und Zartheit zugleich, mit Komik und Surrealismus und mit Musik von Pink Floyd (!) aus dem China von 2008 interessiert: Der Gang ins Kino lohnt sich.

Infos zum Film

«Black Dog» ist am Filmfestival in Cannes 2024 mit dem Preis «Un Certain Regard» ausgezeichnet worden und erhielt auch an anderen Festivals (u.a. Jerusalem, Warschau, Fribourg) Auszeichnungen. 

Regie: Guan Hu, Drehbuch: Guan Hu, Ge Rui, Wu Bing, mit Eddie Peng (Lang), Liya Tong (Grape), Jia Zhangke (Onkel Yao), Xin (der schwarze Hund), Länge: 110 Minuten. 

Jetzt in den Kinos.

Lang spricht den ganzen Film über wenig. Der einstige Rockstar und Motocross-Stuntfahrer kommt nach einer Gefängnisstrafe wegen Verwicklung in ein Tötungsdelikt in seine Heimatstadt zurück. Und da scheint ziemlich alles dem Untergang geweiht. Häuser sind verlassen, das Kohlebergwerk steht still, der Zoo ist nur noch ein Schatten seiner selbst, wilde Hunde streunen durch die Strassen.

Vom Jäger zum Freund

Doch stehen zwei Grossereignisse bevor: die Olympischen Spiele in der fernen Hauptstadt Beijing und eine Sonnenfinsternis. Deshalb wollen die Behörden des Provinzstädtchens Chixia gegen die Hunde vorgehen, die angeblich Tollwut verbreiten. Die Organisation der Hundeeinfänger hat Bandenchef und Restaurantbesitzer Yao übernommen. Lang, der sich regelmässig bei der Polizei zu melden hat, erhält auch einen Job: «Er war in einen Mord verwickelt. Er war im Gefängnis. Jetzt ist er wieder da. Also ist er einer von uns», legt Boss Yao bei einer stark alkoholisierten Runde mit anderen Hundefängern ein Wort für Lang ein.

In der weiteren Geschichte scheint immer wieder das weiche und warme Herz des stillen Helden durch, ein Kontrast zu praktisch allem, was sonst geschieht. Den zuletzt gesuchten schwarzen Hund lässt er absichtlich entgehen, als die Hundefänger ihn dingfest machen könnten. Das Hündchen eines kleinen Mädchens befreit er heimlich, weil sie so traurig ist. Und als der schwarze Hund doch gefangen worden ist, nimmt Lang ihn in einer kalten Nacht zu sich in die Führerkabine des Lieferwagens, mit dem er den «Black Dog» zur Hundesammelstelle bringen sollte und während eines Sturms in der Wüste verunfallt ist – wie der Bus zu Beginn des Films.

Der Vater im Zoo

Das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Daraus entstehen komisch-zärtliche Szenen, etwa wenn Lang den Hund in der einwöchigen Quarantäne in seinem Haus zum Essen überzeugen will, ihn wäscht und fotografiert für die Registrierung. 

Trailer von «Black Dog»

Es rührt einen die Geschichte mit Langs altem Vater, der im heruntergekommenen Zoo noch die letzten Tiere pflegt und dann aber krank ins Spital muss. Es packt der Konflikt mit Hu, dem Onkel des einst Getöteten, der Lang einen Mörder nennt, immer wieder bedrängt und auch mit dem Tod bedroht – bis Lang ihm schliesslich sogar das Leben rettet in Hus eigener Schlangenzucht. Und es entsteht eine sachte Liebesgeschichte mit Grace aus dem Zirkus, der zu dieser Zeit in der Stadt gastiert.

Und der Weg führt weiter

Schliesslich gibt es noch ein Erdbeben, die Sonnenfinsternis kommt, die Menschen verlassen die Stadt und die letzten Tiere des Zoos kommen frei und streifen durch die Strassen. Und in den immer wieder vorkommenden Lautsprecherdurchsagen der Behörden behaupten diese zum geplanten Abriss der Stadt: «Gemeinsam wollen wir Grosses erreichen und eine harmonische Gesellschaft schaffen!»

So kommen zur ganzen Trostlosigkeit feiner Humor, einiges an Surrealität in Bildern und Situationen, immer wieder die überraschend grossartig passende Musik von Pink Floyd (The Wall) und vor allem am Ende ganz viel Herz und Zukunftshoffnung in die Geschichte. Und dies, obwohl dann nicht mehr der «Black Dog» mit dabei ist, sondern eine Hündin. Und ein paar Welpen.