Von Wolkenkratzern und anderen Luftschlössern

Kultur

Der Dokumentarfilm «Delhi Dreams», der am 17. März ins Kino kommt, erzählt von Menschen, die unter die Räder kommen, wenn die Regierung den Himmel besiedeln will.

Um ihre ärmlichen Hütten zu bauen, rodeten die Puppenspieler einst den Dschungel. 50 Jahre später verwandelt eine neue U-Bahn-Linie ihren Slum in eine Goldgrube. Um mit dem Bevölkerungswachstum Schritt zu halten, müsse in De­lhi jetzt «der Himmel besiedelt werden», erklärt die Stadtentwicklerin.

Der Film «Delhi Dreams» von Christof Schaefer und Yamini Deen beleuchtet das Ende der Künstlersiedlung Kathputli Colony, welche Hochhäusern weichen soll. Und er ist eine Erzählung über Armut und Autonomie, Kommerz und Kunst, Widerstand und Desillusionierung.

Mit Vijay finden die Filmemacher eine ideale Erzählfigur. Der Ingenieur ist aus dem Wohlstandstraum seines Vaters ausgestiegen. Auf dem Dach seiner Hütte gibt er den Nachbarskindern Nachhilfeunterricht. Eine besonders begabte Schülerin sei Kusum, sagt Vijay.

Das unerhörte Gebet

Kusum besucht die Gottesdienste der christlichen Gemeinde im Viertel. Ihr Gebet, dass Gott den Beamten eine kreativere Lösung als den Abriss eingibt, bleibt freilich unerhört. Auch ihr Tanztalent verkümmert. Als junge Frau prallt Kusum wuchtig gegen die gläserne Decke. Verleumdungen führen dazu, dass sie von der Schule genommen wird. 

«Delhi Dreams» handelt vor allem von geplatzten Träumen. Auch die von der Stadt versprochenen Wolkenkratzer bleiben für Kusum Luftschlösser, da ihr eine Besitzurkunde für ihre Slumwohnung fehlt.

Vijay organisiert den kreativen Protest. Über dessen Kraft staunt er selbst. Doch die Aussicht auf eine Wohnung mit fliessendem Wasser lässt den Widerstand bröckeln. Immer mehr Leute ziehen ins Containerdorf, das als Übergangslösung dient. Unter dem Druck der Regierung wachsen die Spannungen.

Klug erzählt

Auch Vijay gerät ins Zweifeln. Lassen sich alte Traditionen nicht auch unter besseren Lebensumständen bewahren? Indem der Film nahe bei seinen Protagonisten bleibt und auf Kommentare verzichtet, geht er Simplifizierungen aus dem Weg.

Mit Zeitsprüngen dramatisieren Deen und Schaefer ihren Film klug. Ihre starken Bilder sind ein Denkmal einer aus der Zeit gefallenen Gemeinschaft, die unter die Räder kommt, wenn der Wohlfahrtsstaat in den Himmel baut.