Viele Jahre lang war mir der Winter ein Gräuel. Ich wehrte mich gegen die langen Monate der Kälte, stimmte mit ein in die weitverbreiteten Schimpftiraden über die verhasste Jahreszeit. Und fror, weil Wollmützen und jugendlich gestylte Frisuren nicht kompatibel sind. Ernsthaft befasste ich mich mit Auswanderungsgedanken – wie wäre es mit Spanien, Griechenland oder noch weiter südlich, Richtung Äquator? Aus verschiedenen Gründen sah ich dann doch davon ab.
Es ist leicht, den Frühling und sein Blumenmeer zu lieben, den ekstatischen Sommer und den goldenen Herbst. Der Winter hingegen ist wie ein schwer zugänglicher Mensch, dessen Wert und Schönheit sich einem in seiner Ganzheit erst erschliessen, wenn er angenommen wird, wie er ist.
Erst durch meine wachsende Liebe zu Pflanzen, zur Natur und zum Gärtnern begann ich, die Bedeutung der dunklen Jahreszeit zu verstehen. Heute erlebe ich mit allen Sinnen, wie die Natur im Jahreszyklus erblüht, zu Fülle und Reife gelangt und sich nach getaner Arbeit in die Winterruhe zurückzieht. Und merke, dass ich froh bin um die Pause vom Garten, die der Winter mir gönnt. Denn von Frühling bis Herbst gibt es immer etwas zu tun – säen, setzen, pflegen oder ernten, von frühmorgens bis spätabends. Ganz anders im Winter. Alles zieht sich nach innen zurück. Abnehmen des Licht und Wärme verlangsamen die Vorgänge, ja lassen sie einen Moment stillstehen. Doch die Knospen an meinem Aprikosenbäumchen sind schon da, winzig und gleichzeitig komplett.