Nein, ich bin keine Kulturpessimistin. Teenager haben es bestimmt nicht leicht. Schon gar nicht, wenn es um Mode und Körperbewusstsein geht. Zerris-sene Jeans zum Beispiel waren schon in meiner Jugend in. Und ich erinnere mich noch genau daran, wie meine Mutter beim Einkaufen sagte: «Für Löcher bezahlen wir nicht so viel Geld.» Am Ende bekam ich die heiss begehrten Lee-Jeans doch. Bestimmte Marken waren beliebt, andere peinlich. Für Erwachsene hingegen zählte die Qualität.
Heutzutage bei Mädchen und sehr jungen Frauen total angesagt ist die Mode von Brandy Melville, weltweit gibt es viele Filialen, eine davon in Zürich am Limmatquai. Unzählige Teenies gehen hier täglich ein und aus. Als Mutter von zwei Girls möchte ich verstehen, warum, und besuche den Shop. Auch an diesem Mittwochnachmittag gibt es im Laden fast kein Durchkommen, in der Garderobe und an der Kasse braucht es viel Geduld. Alle wollen ein Stück kalifornischen Lifestyle ergattern. Denn mit diesem wirbt das erfolgreiche Modeunternehmen über Social Media.
Die Kleider sind trendy und besitzen einen hohen Wiedererkennungswert. Auf den ersten Blick sehen darin alle gleich aus. In der Jugendsprache hat sich so auch der Begriff «Brandy Girl» verbreitet. Ein typisches «Brandy Girl» ist schön, hellhäutig und dünn. Dahinter steht eine äusserst fragwürdige Geschäftsstrategie: «One Size Fits All» – eine Grösse für alle. Die meisten Kleidungsstücke werden nur in XS und S angeboten. Im Klartext heisst das, dass nur sehr schlanke Jugendliche mit den Massen einer Schaufensterpuppe überhaupt in die Kleider passen. Sie gehören zum Club der «coolen» Mädchen, alle anderen bleiben aussen vor.
Trotz Bodyshaming und Rassismusvorwürfen, die immer wieder gegen Brandy Melville erhoben werden, geht die Strategie auf: Auf Instagram folgen weit über drei Millionen Menschen der Marke mit Malibu-Flair. Ich frage eine 13-Jährige, warum sie hier einkauft. «Ich finde die Kleider schön, und ich will keine Aussenseiterin sein.» Dazugehören ist in diesem Alter wichtig. So war es in den 90ern, so ist es heute. Trotzdem stimmt es mich nachdenklich. Die Gesellschaft ist zum Glück in vielerlei Hinsicht gleichberechtigter, toleranter und diverser gewor-den. Nicht aber bei diesem Trendsetter mit einer fragilen Zielgruppe. Dabei sollten Kleider doch wenn schon Leute machen: dereinst selbstbewusste Frauen – und keine Komplexe verursachen.