Kirchen wollen ihr Geld mit gutem Gewissen anlegen

Finanzen

Erstmals wurde untersucht, wie Kirchen und ihnen nahestehende Organisationen ihr Geld investieren. Sie achten stark auf Nachhaltigkeit, nehmen Aktionärsrechte aber selten wahr. 

Mitgliederschwund und Diskussionen über Kirchensteuern: Die finanzielle Lage der Kirchen wird sich in Zukunft eher verschlechtern, darin sind sich Beobachterinnen und Beobachter einig. Umso wichtiger wird der verantwortungsvolle Umgang mit dem Anlagevermögen.
Wie genau die Kirchen und ihre Organisationen sowie Pensionskassen ihr Vermögen anlegen und welche Rolle dabei die Nachhaltigkeit spielt, war der Öffentlichkeit bislang nur in einzelnen Fällen bekannt. 

Ein verlustreiches Jahr

Ein Anlagereport des auf Nachhaltigkeit spezialisierten Vermögensverwalters Invethos und der Universität Basel liefert jetzt erstmals breitere Erkenntnisse. «Im kirchlichen Umfeld wird überdurchschnittlich auf Nachhaltigkeit bei Anlagen geachtet», lautet das Fazit von Lukas Stücklin, Theologe und Finanzexperte bei Invethos. Der «Kirchen-Anlagereport» basiert auf einer Umfrage und nimmt das Jahr 2022 unter die Lupe. Es war ein Jahr, in dem viele Anleger Verluste hinnehmen mussten. 75 Institutionen aus der Deutschschweiz mit einem Anlagevermögen von total 5,5 Milliarden Franken nahmen an der Untersuchung teil.

 
Die Studie differenziert zwischen Kirchen, worunter Landeskirchen, Kirchgemeinden sowie Freikirchen verstanden werden. Dazu kommen Pensionskassen und kirchennahe Organisationen wie Ordensgemeinschaften, Hilfswerke und Stiftungen. Die Gruppen legen ihr Vermögen unterschiedlich an. So ist der Aktienanteil von Pensionskassen-Anlagen mit 36 Prozent höher als jener der Kirchen (20 Prozent), was daran liegen dürfte, dass Pensionskassen gesetzliche Vorgaben erfüllen und eine gewisse Rendite erwirtschaften müssen.

Verzicht auf Aktien

«Es fällt auf, dass die Kirchen sehr konservativ anlegen», sagt Stücklin. Und das, obwohl Aktien langfristig oft eine bessere Entwicklung zeigten als Obligationen und auch noch Mitbestimmung in den Unternehmen ermöglichten. Die Aargauer Kirche hat Aktieninvestments komplett ausgeschlossen. «Angesichts der unsicheren finanziellen Zukunft wären aber auch die Kirchen gut beraten, vermehrt in Aktien zu investieren.» 


Investitionen mit gutem Gewissen tätigen, darauf legen Anleger immer mehr Wert. 1610 Milliarden Franken waren laut dem Verband Swiss Sustainable Finance 2022 hierzulande entsprechend nachhaltigen Kriterien angelegt. 2011 waren es nur rund 40 Milliarden. Im Anlagereport wird deutlich, dass kirchliche Investoren diesem Trend folgen: Von den 43 Studienteilnehmern, die in Aktien oder Obligationen investieren, achten 37 auf Nachhaltigkeitskriterien. Nach Vermögen gewichtet, entspräche das 97 Prozent der Vermögenswerte, deutlich mehr als im gesamten institutionellen Markt in der Schweiz, heisst es im Bericht. Ein ebenso klares Bild zeigt sich bei den Pensionskassen: Während bloss 37 Prozent aller Pensionskassen Nachhaltigkeitskriterien festgelegt haben, sind es bei den kirchlichen Pensionskassen 70 Prozent. 

ESG-Kriterien beliebt

Besonders hoch im Kurs stehen bei den Studienteilnehmern die sogenannten ESG-Kriterien, bei denen Investoren Unternehmen bezüglich Ökologie, Sozialem und Führungsverhalten begutachten. Rund 60 Prozent der Befragten orientieren sich an diesen Kriterien, die teils jedoch umstritten sind, weil sie als relativ schwammig gelten. Eine ebenfalls wichtige Orientierungshilfe sind Negativkriterien, bei denen einzelne Bereiche bei Investitionsentscheiden ausgeschlossen werden. Zu den häufigsten Ausschlusskriterien zählen die Rüstungsindustrie, atomare Waffen und wenn Menschenrechtsverletzungen begangen werden. 


Aufholbedarf sieht Lukas Stücklin vor allem noch im Bereich der Stimmrechtswahrnehmung. Lediglich neun Prozent der Kirchen üben ihre Aktionärsrechte aktiv aus. Bei den kirchennahen Organisationen hingegen liegt der Anteil bei 60 Prozent und bei den Pensionskassen immerhin bei 44 Prozent. Stücklin vermutet einen Mangel an Ressourcen und Know-how als Grund. Der Experte empfiehlt den Kirchen deshalb die Mitgliedschaft bei einem Stimmrechtsvertreter. 

Geringere Verluste

Ein weiterer Kritikpunkt im Anlagereport: Vor allem die Kirchen setzen noch zu wenig auf Anlagen, mit denen sie selbst eine positive Wirkung erzielen können. Zu diesen sogenannten Impact Investments zählen auch Mikrofinanzanlagen, etwa Darlehen in Kleinstunternehmen in Schwellenländern.
Die kirchennahen Organisationen wie Hilfswerke weisen mit knapp 12 Prozent den höchsten Anteil an alternativen Investments aus, zu denen auch der Mikrofinanzbereich gehört. Die letzten Jahrzehnte hätten gezeigt, dass derartige Investitionen kein übermässiges Risiko für die Investoren mit sich brächten, sagt Lukas Stücklin. 


Insgesamt zeigt der Bericht das auf, was Verfechterinnen und Verfechter nachhaltiger Finanzanlagen schon lange betonen: dass nachhaltiges Investieren kein Renditekiller sei. Im untersuchten schlechten Börsenjahr verzeichneten die Umfrageteilnehmer mit einem Minus von total 8,2 Prozent geringere Verluste als konventionelle Pensionskassen, deren Minus in jenem Jahr bei insgesamt 8,8 Prozent lag. 

«Ethos hat ein ganz anderes Gewicht»

Die reformierte Zürcher Landeskirche hat sich 2019 ein neues Anlagereglement gegeben, in dem auf Nachhaltigkeit mehr Wert gelegt wird. Die Finanzanlagen werden seitdem von vier Vermögensverwaltern betreut. Zu
dem hat sich die Landeskirche der Stiftung Ethos angeschlossen, die un
ter anderem für Aktionäre in den Dialog mit Firmen tritt. «Ethos hat ein ganz  anderes Gewicht als einzelne Aktionäre und kann bei den Unternehmen wirk
lich etwas erreichen», sagt Dieter Zaugg, zuständig für Finanzen. Bei der Zür
cher Landeskirche liegt der Aktienanteil bei vergleichsweise hohen  35 Prozent. Der Anteil alternativer Anlagen, zu denen auch Mikrofinanzanlagen gehören, beträgt laut Zaugg derzeit 15 Prozent. Die Kirche will  die Arbeit ihrer Vermögensverwalter regelmässig überprüfen und gegebenenfalls Anpassungen vornehmen.