Ein Blick auf die unbekannte Insel im hohen Norden

Grönland

Schmelzendes Eis, Geopolitik, Rohstoffe und Kolonialismus: Die grösste Insel der Welt gerät zunehmend in den Fokus. Die Kirche spielt auch eine Rolle, wie eine Ausstellung zeigt.

«Das Eis, das Grönland bedeckt, ist so dick, wie wenn man das Berner Münster 30-mal übereinanderstapelt», erfährt man am Anfang der filmischen Ausstellung «Grönland. Alles wird anders» im Alps (Alpines Museum der Schweiz) in Bern. Doch das Eis schmilzt, und das in alarmierendem Tempo. Die Winter werden wärmer, es fällt weniger Schnee. Im Sommer schmilzt pro Tag ein Kubikkilometer Eis dahin. Grönland erwärmt sich viermal so schnell wie andere Teile der Erde. 

Grönland macht nicht nur Schlagzeilen wegen der Auswirkungen des Klimawandels. US-Präsident Donald Trump wiederholte erst kürzlich, dass er Grönland kaufen wolle. Das schmelzende Eis legt Mineralien, Metalle und auch sogenannte Seltene Erden frei. Das Rennen um die wertvollen Rohstoffe in der Arktis hat längst begonnen.

Zurück zu den Wurzeln 

Neben Klimawandel und Bergbau an der eisfreien Küste thematisiert die Ausstellung im Alps auch den Tourismus und das Leben in Hauptstadt und Dorf. In kurzweiligen Videos des Bündner Filmemachers Gian Suhner sprechen Grönländerinnen und Grönländer über ihre Geschichte, über ihre Herausforderungen, ihre Wünsche. 

Eine Protagonistin ist die Bergbauingenieurin und Influencerin Qupanuk Olsen, die in der Hauptstadt Nuuk lebt. «Viele von uns beginnen zu erkennen, auf welch vielfältige Weise wir kolonialisiert wurden», sagt Olsen. Als Beispiel nennt sie das Christentum, das ihnen aufgezwungen worden ist. «Aber ich glaube daran, dass wir zu unseren Ursprüngen zurückkehren.» Olsen schöpft Hoffnung in der jüngeren Generation, die den Mut habe, ihre Kritik laut auszusprechen. 

Für einen Fünfliber mit «reformiert.» ins Museum

 «reformiert.» und Alps, das Alpine Museum der Schweiz in Bern, laden Leserinnen und Leser zu einer vergünstigten Führung ein. Für fünf Franken pro Person werden die Teilnehmenden in die Ausstellung «Grönland. Alles wird anders» eingeführt. Die Platzzahl ist beschränkt und eine Anmeldung bis 23. März erforderlich. Berücksichtigt werden pro Datum die ersten 50 Eingänge per E-Mail. Bitte eine Viertelstunde früher erscheinen, mit passendem Barbetrag.

Führung. 4. und 11. April, 17–18.30 Uhr, Alpines Museum, Helvetiaplatz 4, Bern, Anmeldung:

In die Schlagzeilen schaffte es diese Bewegung 2020. In der Nacht zum grönländischen Nationalfeiertag überschütteten Unbekannte die Statue des dänischen Missionars Hans Egede mit roter Farbe und besprayten den Sockel des Denkmals mit Mustern traditioneller Inuit-Tätowierungen – Symbolen, die einstmals von der Kirche geächtet worden waren. «Decolonize!», war der Aufruf der Aktion.

Der Historiker Andreas Hoffmann zweifelt, dass diese Aktion damals eine direkte Kritik auch an der Kirche gewesen sei. Der Deutsche lebt seit sieben Jahren in Grönland. In Ilulissat leitet er das Historische Museum und das Kunstmuseum. 

Grenze zwischen Kolonialisierung und Christianisierung 

«Viele Menschen, mit denen man spricht, ziehen eine Grenze zwischen Kolonialisierung und Christianisierung. Viele wollen sich das Christentum nicht nehmen lassen», so Hoffmann. Taufe und Konfirmation zählten im Leben vieler Grönländerinnen und Grönländer zu den Höhepunkten. 

Heute gehören etwa 95 Prozent der Bevölkerung der dänischen evangelisch-lutherischen Kirche an. Um das Jahr 1000 errichteten Wikinger auf Grönland die erste, damals noch katholische Kirche. 1721 kam Pastor Hans Egede im Auftrag Dänemarks nach Grönland, um möglicherweise dort noch ansässige Wikinger für die evangelische Konfession zu gewinnen. Wikinger fand er jedoch keine mehr vor, so wandte er sich den Inuit zu. Wenig später begannen auch die reformierten Herrnhuter zu missionieren. 

Ich glaube daran, dass wir zu unseren Ursprüngen zurückkehren.
Qupanuk Olsen, Ingenieurin und Influencerin

Fast alle der rund 57 000 Einwohner Grönlands sind heute Christen. Das Christentum hat den traditionellen Glauben der Inuit grösstenteils abgelöst. Dieser handelt von Seelenwanderung und dem Mondgott, der Arme und Waisen beschützt. Zu den wichtigsten Gottheiten gehört die Meermutter – die allwissende Beobachterin der Menschen. Schamanen vermitteln zwischen den Welten, sie heilen Krankheiten und praktizieren Rituale.

Elemente wie etwa Tätowierungen oder die rituelle Trommel wurden von der dänischen Kirche verboten. Gemäss Andreas Hoffmann wollte letztes Jahr ein Pfarrer die Windtrommel im Gottesdienst einsetzen, wurde deswegen aber vom Amt ausgeschlossen. Der Historiker betont: «Durch die dänische Kolonialisierung wurde der grönländischen Bevölkerung unglaublich viel Leid zugefügt.» 

Dies sei mehrheitlich im Verlauf der letzten 100 Jahre geschehen. «Die Gesellschaft durchlief eine Modernisierung, mit der Dänemark sehr viel Geld verdient hat.» Der wachsende Kontakt mit dem Westen hatte Umwälzungen auf allen Ebenen zur Folge. 

Vom Dänen zum Norweger 

Mit der Zeit wurde die grösste Insel der Welt von ihrer einstigen Kolonialmacht unabhängiger. Hoffmann beobachtet auch veränderte Dynamiken in der dänischen Kirche: «Früher bezeichnete sie Hans Egede als dänischen Priester. Vor 50 Jahren war dann korrekt vom dänisch-norwegischen Priester die Rede.» 

2021 sei mit dem 300. Jahrestag von Egedes Ankunft in Grönland plötzlich nur noch vom norwegischen Priester gesprochen worden. «Die dänische Kirche versucht, sich von ihrer stigmatisierten Rolle in Grönland zu distanzieren.» Oder zumindest, sich ihr schwieriges Erbe mit Norwegen zu teilen.

Grönland. Alles wird anders.

Bis 16. August, Alps – Alpines Museum der Schweiz, Bern
www.alps.museum