Bern sucht weiter Notschlafplätze

Nothilfe

Die Belegung von Betten für Obdachlose nimmt in Bern, Zürich und Basel zu. Die Bundesstadt eröffnete ein neues Angebot – sucht aber noch mehr Liegenschaften.

Die Tage werden kürzer, die Nächte länger – der Sommer neigt sich dem Ende zu. Die Kälte kommt. Für Menschen ohne festes Zuhause ist ein geschützter Schlafplatz fundamental. Dafür gibt es in grösseren Orten die Notschlafstellen: Orte, wo bei Bedarf unkompliziert und umgehend ein Bett zur Verfügung steht. 

Das ist nicht nur ein christliches Gebot, sondern auch ein Auftrag an die Gesellschaft durch die Bundesverfassung: «Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung auf auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind», heisst es im Artikel 12.

Unterstützung von Kirchgemeinde

Nun seien Gassenarbeit und Notschlafstellen zwar kein Schwerpunkt der Sozialdiakonie, sagt Nadja Kehrli, Koordinatorin der Fachstelle Diakonie in der reformierten Gesamtkirchgemeinde Bern (GKG). Trotzdem engagiere sich die GKG in diesem Bereich. So sei der Verein «Rêves sûrs» (Sichere Träume) im Kollektenplan der Gesamtkirchgemeinde verankert. Der Verein betreibt die Stadtberner Notschlafstelle Pluto für Jugendliche.

Weitere Notschlafstellen wie das Passantenheim und der Sleeper seien im Kollektenplan von Kirchgemeinden, die Arbeitsgemeinschaft der Kirchen in Bern (AKiB) betreibt mit einem Leistungsvertrag der Gemeinde die Wohngemeinschaft Albatros für Drogenabhängige. Und: «Wir unterstützen auf jeden Fall die Weiterfinanzierung der kirchlichen Gassenarbeit. Das gilt auch für Initiativen zur Finanzierung neuer Notschlafstellen», sagt Kehrli.

Zunahme auch in anderen Städten

In Basel-Stadt bieten die städtischen Notschlafstellen 76 Plätze für Männer und 18 für Frauen an. Noch Anfang 2023 waren es 28 Plätze für Frauen. Und vor allem im Winter gibt es «temporäre Kapazitätsengpässe», wie die Zeitung für die Region Basel (BZ) schreibt. Die Stadt reagiert dann so, dass Menschen von Basel-Stadt bevorzugt werden. Was beim sehr kleinräumigen Kanton bedeutet, dass auch Menschen von relativ naher Umgebung keinen Platz mehr finden. Und das Angebot im Kanton Basel-Land ist mit sechs Schlafplätzen sehr mager.

Auch in Zürich ist der Bedarf in jüngster Zeit manchmal höher als das Angebot. Sowohl der Pfuusbus, das Angebot des Sozialwerks Pfarrer Sieber, als auch die Stadtzürcher Notschlafstelle verzeichneten Überbelegungen beziehungsweise einen Anstieg im vergangenen Winter.

Eine solche wurde in der Stadt Bern gerade im Juni neu eröffnet: eine zentral gelegene Möglichkeit für Finta, das heisst Menschen mit den Geschlechteridentitäten Frau, Intergeschlechtlich, Non-Binär, Transgender und Agender. Der Pilotbetrieb sei gut angelaufen, sagt die Sozialamtsleiterin Claudia Hänzi auf Anfrage. Die 18 Schlafplätze hätten sich nach der Eröffnung rasch gefüllt und seien derzeit meist voll ausgelastet. Ausser zwei Meldungen wegen lauten Singens habe es aus dem Quartier keine Beschwerden gegeben.

Insgesamt gibt es gemäss Hänzi in der Stadt Bern aktuell vier Notschlafstellen mit total 115 Plätzen. 85 seien via Leistungsvertrag finanziert. Seit Ende 2021 ist in der Stadt Bern die Zahl wohnungs- und obdachloser Menschen kontinuierlich angestiegen. Die bestehenden Notschlafeinrichtungen stiessen trotz eines Ausbaus des Angebots immer öfter an ihre Kapazitätsgrenzen, heisst es in einer Mitteilung. 

Weitere Liegenschaften gesucht

Als Reaktion auf diese Entwicklungen hat der Gemeinderat die Strategie Obdach 2024-2027 erarbeitet und im November 2023 verabschiedet. Diese enthält acht Massnahmen, um die Angebote weiterzuentwickeln. Doch besteht weiterhin Bedarf. Rund 20 zusätzliche Notschlafstellen müssten es noch sein, sagt die Leiterin des Sozialamts. «Die Suche nach weiteren Liegenschaften für zustätzliche Plätze läuft nach wie vor.»

Zumal auch der neue Betrieb nicht langfristig gesichert ist. Die Finta-Notschlafstelle hat vorerst nur einen befristeten Mietvertrag bis im Mai 2026. Wie es dann weitergeht, ist noch ungewiss. Betrieben wird sie – wie auch die grösste in Bern, das Passantenheim mit 70 Plätzen – von der Heilsarmee.

Manchmal geht es einfach um einen ruhigen Moment

Bei den Kirchgemeinden gibt es zwar keine Schlafplätze. Aber für «Menschen mit Lebensmittelpunkt Gasse» würden die Kirchgemeinden immer ein Getränk und einen ruhigen Ort anbieten, sagt Nadja Kehrli von der Gesamtkirchgemeinde. Auch kurze Gespräche könnten möglich sein, in denen die Mitarbeitenden und Freiwilligen auf die bestehenden Angebote hinweisen. «Doch manchmal geht es auch einfach um einen ruhigen Moment ohne Gassenstress.»