Wenn Katharina Gessler über sich spricht, spricht sie immer auch über «GeGe», ihren Mann Georg. Der Kunstmaler verstarb vor sieben Jahren. «Mein Leben ist mit ihm so verbandelt, ich kann es auch heute noch nicht von ihm trennen», sagt sie bestimmt.
Die 76-Jährige mit grossen Ohrringen steht in der Küche ihres kleinen Hauses in Ottenbach und kocht Kaffee in der italienischen Espressokanne. Im alten Haus ist es kühl, am Boden döst ihr Hund, die Katze schläft auf dem Sofa. An der Wand hängt ein abstraktes Bild ihres Mannes – in geometrischen Formen und leuchtenden Farben zeigt es eine südliche Landschaft. Daneben hängen orientalische Schmuckstücke. «Die habe ich von meinen Reisen mit GeGe mitgebracht», erzählt Gessler. Das Paar reiste mehrmals nach Marokko und in die Provence – mit demselben Kleinbus, mit dem Gessler heute noch campen geht. «Ich liebe Unterwegssein», sagt sie und lacht dabei.
Unbändige Energie
Mitten im Gespräch stürmt die zierliche Frau plötzlich wortlos aus dem Raum und kurz darauf mit einem Buch wieder hinein. Es zeigt das Leben und Werk ihres Mannes. Auf Schwarzweissfotos sieht man auch sie selbst, wie sie als junge Frau im Pelzmantel für den Maler Modell steht. Sie lernte ihn kennen, als er noch mit seiner ersten Frau und zwei Söhnen im Tessin lebte. «Sein Werk begeisterte mich von Anfang an», sagt sie und ihre Augen leuchten.
Radikaler Lebensentwurf
Als der Künstler später nach dem Unfalltod eines Sohnes in einer schweren Lebenskrise steckt, «holt» sie ihn nach Zürich, wie sie es ausdrückt. Sie organisiert ein Atelier, wird seine Frau, führt den Haushalt und sichert als Kindergärtnerin die Familienexistenz mit der gemeinsamen Tochter. Schliesslich pflegt sie den an Demenz und Parkinson Erkrankten zehn Jahre bis zum Tod.
Als Aufopferung erlebte Katharina Gessler das nicht. Sie habe als «Vollblut-Kindergärtnerin» immer ein eigenes Leben gehabt, sagt sie, während sie den starken Kaffee trinkt. «Ich war mit GeGe nicht immer glücklich, aber zufrieden, und ich habe mich stets von Neuem für genau dieses Leben entschieden.»
Und dann stürmt sie wieder los. «Schauen wir Geges Atelier an!» Schnell geht sie durch den Garten vor dem Haus, in dem unzählige Blumen blühen. Gegenüber ist das Atelierhaus. Drinnen sieht es aus, als sei der Künstler, der mehrmals in der Schweiz und in Deutschland ausstellte, nur eben kurz rausgegangen. Dutzende Pinsel, Werkzeuge und Gläser mit Farbpigmenten stehen bereit. Hunderte Bilder lagern aneinandergelehnt. Gessler zeigt darauf und sagt in energischem Ton: «Sie gehören an die Öffentlichkeit.» Am liebsten möchte sie die religiösen Bilder einer kirchlichen Institution überantworten.
Georg Gessler malte neben Landschaftsbilder oftmals in Bilderzyklen. Eine aktuelle Ausstellung zeigt seine Werke zu Krieg und Passion und bringt dazu die Hoffnung auf Frieden zum Ausdruck. Katharina Gessler führt vor, wie der Maler jeweils die Farben in einem Mörser selbst anrieb. Unsentimental sagt sie: «Ich habe GeGe losgelassen. Sein Werk zu erhalten, ist mein Lebenssinn.»
Ausstellung Georg Gessler: «Zwischen Krieg und Frieden», 27. 10.–20.11., Kloster Kappel, Kappel am Albis.