Die Berge um Karakol erinnern sie an Bivio

Porträt

Edda Hergarten macht junge Leute in Kirgistan fit für den Skilehrer-Job. Denn im Winter gibt es dort kaum Arbeitsplätze.

Kaum zurück aus Kirgistan, steht Edda Hergarten frühmorgens schon auf dem Weihnachtsmarkt im sanktgallischen Wil und preist charmant Käse, Nusstorten und Handgestricktes aus Bivio an. Und natürlich wirbt sie für die kleine Schneesportschule im Surseser Dorf, für die sie arbeitet. Dass sie eigentlich todmüde ist nach den anstrengenden zehn Tagen in den kirgisischen Bergen, merkt man der Skilehrerin kein bisschen an.

Arbeit im Winter. In nur zwei Jahren hat die Skilehrerin im zentralasiatischen Land ein Entwicklungsprojekt auf die Beine gestellt: Junge Leute sollen auch im Winter ein Einkommen haben, dann, wenn die Trekking-Touristen weg sind. Schon zum zweiten Mal hat sie nun ein Skilehrer-Training in Karakol im Nordosten Kirgistans durchgeführt. Mit dabei waren sechs Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bündner Skischulen. Vieles, was es für den Wintertourismus brauche, sei schon da, erzählt Hergarten: eine wunderschöne Berglandschaft, etwas vorsintflutliche, aber funktionierende Skilifte und Sesselbahnen, Nachbarländer mit zahlungskräftigen Kunden. Die meisten der 42 Teilnehmer am Kurs konnten denn auch recht gut Ski fahren. «Von Methodik aber haben sie keine Ahnung», sagt die ehemalige Primarlehrerin. Und auch in unternehmerischen Belangen brauche es Nachhilfe.

Land im Umbruch. Eigentlich wollte Hergarten vor zwei Jahren nur ihren Bruder besuchen, der in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek beim Aufbau einer Universität mitarbeitet. Inzwischen ist sie für ihr Projekt schon acht Mal im Land gewesen, hat auf einer sechswöchigen Fahrt den Transport von gesammeltem Material im Lastwagen begleitet. Noch vier Trainings sollen stattfinden. «Dann sind genug Einheimische so weit, um übernehmen zu können», glaubt Hergarten. Motivierte Kursteilnehmer können denn auch zusätzlich ein Praktikum an den beteiligten Skischulen machen. Eine Kirgisin war im letzten Winter schon in Bivio. «Es freut mich, dass Frauen mitmachen», sagt Hergarten. Gerade alleinstehende Frauen, vor allem alleinerziehende Mütter hätten in der kirgisischen Gesellschaft einen schweren Stand. Das Land steht zwischen Tradition und Moderne. Hergarten drückt es so aus: «Die Leute sind immer noch auf dem Pferd unterwegs, aber mit dem Smartphone in der Hand.» Sorge bereitet ihr das Erstarken des islamischen Fundamentalismus. Immer mehr Frauen seien verschleiert, und nicht wenige junge Männer landeten beim IS. «Umso wichtiger ist es, etwas gegen die Perspektivenlosigkeit zu tun.»

Wie zu Hause. Als Kind malte sich Hergarten aus, wie sie als Lehrerin in Afrika hilft. Lehrerin wurde sie zwar, aber dann auch noch Käserin, Ernährungscoach, Masseurin. Ihre Jobstationen sind so zahlreich wie ihre bisherigen Wohnorte. «In Bivio bin ich angekommen», sagt sie. Und statt in Afrika hilft sie jetzt halt in Zentralasien. Karakol erinnert sie immer an zu Hause. Nur, dass der Lai Marmora nicht ganz vergleichbar ist mit dem Yssykköl, einem Bergsee zehnmal grösser als der Bodensee. «Er ist wie ein Meer», schwärmt Hergarten. Und im selben Atemzug vom Apfelblüten-Meer im kirgisischen Frühling.

Edda Hergarten, 38

Die Wahlbündnerin, die im Berner Jura aufgewachsen ist, hat ein Projekt lanciert, um junge Leute in Kirgistan zu Skilehrern auszubilden. Es wird von den Skischulen Bivio, Arosa, Corvatsch, Davos, Lenzerheide und Pontresina unterstützt. Sie übernehmen die Ausgaben der mitwirkenden Schweizer Skilehrer, die gratis arbeiten.

www.wintersportprojekt.com