Der biblische Exodus in der Gegenwart

Musik

Ein musikalisches Projekt verknüpft die Exodus-Geschichte mit Fluchterfahrungen. Wir haben mit der initiierenden Pfarrerin, einer Geflohenen und einem Musikstudenten gesprochen.

Kinder sollten die Freiheit haben, zu spielen, Bücher zu lesen und ihre Geschichten mit ihren Grosseltern zu teilen. Diese Worte von Sabrine Zanotta machen nachdenklich. Denn sie stammt aus einer Welt, in der dies alles andere als selbstverständlich ist, in der Menschen vor Krieg und Verfolgung fliehen. 

Zanotta kam selbst als Flüchtling aus Tunesien in die Schweiz. Jeden Mittwochnachmittag besuchte sie in der Grossen Kirche Fluntern einen Deutschkurs. Nach anderthalb Jahren spricht die junge Frau die neue Sprache bereits gut. Das war für sie mit ein Grund, am Exodus-Projekt mitzuwirken.  

Die stärkste Geschichte

Die Idee dazu hatte Chatrina Gaudenz im Rahmen der Reihe «Musik und Poesie», die heuer zum dritten Mal stattfindet. Die engagierte Pfarrerin in Fluntern hat sich zum Ziel gesetzt, «die stärkste Geschichte der Bibel» in die Gegenwart zu transportieren. Denn in der Allegorie vom Auszug aus Ägypten stecke viel Aktualität und Lebensweisheit: «Auch jetzt sind so viele Leute gezwungen, aufzubrechen und ein neues Daheim zu finden.»  

Das Motto der Aufführung lautet «Menschen in Bewegung». Es ist bewusst offen formuliert, lässt unterschiedliche Lesarten und  vor allem Hoffnung zu. «Trotz Leiden und Plagen steckt auch in der biblischen Geschichte eine grosse Zuversicht», sagt Chatrina Gaudenz.

Im Stück wird Zanotta eine Geschichte vorlesen, die ein Mädchen geschrieben hat, das aus Syrien fliehen musste. Sie wurde auch verfilmt. Das Kind lebt in einem Zelt an der Grenze zu Libanon. «Es ist ausgeliefert, praktisch ohne Sicherheit.» Zanotta möchte mit dem Schicksal, das sie auch an ihr eigenes erinnert, wachrütteln: «Was für ein Glück, von Wänden umgeben zu sein, die vor Kälte und Hitze schützen.»

Poetische Beiträge leisten neben Zanotta auch Zekarias Kebraeb aus Eritrea, Anna Ivanenchuk und Eleonora Cholak aus der Ukraine.

Aus Gefühlen werden Töne

Für den musikalischen Part ist die Kirche Fluntern eine Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) eingegangen. Musikstudentinnen und Musikstudenten haben eigens für diesen Anlass Kompositionen geschaffen.  

Einer davon ist Andres Piller. Der Freiburger Filmmusik-Student besuchte den Deutschkurs, um so in Kontakt mit Geflüchteten zu treten und seine Eindrücke zu vertonen.

Jede einzelne Fluchtgeschichte, die er dort erfuhr, habe ihn berührt. «In meiner musikalischen Interpretation bringe ich Gefühle zum Ausdruck, die ich gegenüber der oftmals unmenschlichen Schweizer Flüchtlingspolitik empfinde.»  

Und wie tönt das nun? «Wir haben uns sehr individuell mit dem Thema befasst», sagt Piller. So vielfältig die Kulturen, Konfessionen und Religionen der Studierenden sind, so vielschichtig sei letztlich auch das Ergebnis: «Darunter finden sich klassische Elemente oder dramatische Motive aus der Filmmusik.» 

Überraschung ist demnach garantiert. Sicher ist: Die Aufführung ist ein aufrüttelnder Appell in Ton und Wort, sich mit den Themen Migration und Flucht auseinanderzusetzen. 

Filmisch dokumentiert

Zwischen den poetischen Inszenierungen, die von Flüchtlingen vorgetragen werden, ertönen sechs Kompositionen von Studierenden der ZHdK-Kompositionsklasse von Till Löffler. Begleitet werden sie vom studentischen Orchester und dem Stringendo14 des Musikkonservatoriums Zürich. Das Projekt wird dokumentiert und im Herbst in der Sendung «Sternstunde Musik» auf SRF ausgestrahlt. 

Exodus – Menschen in Bewegung.
24. Februar, 18 Uhr, Grosse Kirche Fluntern