Recherche 14. Januar 2021, von Sandra Hohendahl-Tesch

Der neue Name ist Programm

Diakonie

Die Zürcher Stadtmission heisst ab Februar Solidara Zürich. Wie der neue Name in reformierten Kreisen ankommt und was es damit auf sich hat.

Eine warme Mahlzeit, ein bisschen Geselligkeit: Das ist es, was die Leute, die an diesem kalten Winterabend im Café Yucca sitzen, suchen. Es sind Wanderarbeiter, Obdachlose und Menschen in prekären Lebenslagen. Die Zürcher Stadtmission betreibt den sozialen Treffpunkt, der zugleich Beratungsstelle ist. Bereits seit 1862 setzt sich das von der Evangelischen Gesellschaft des Kantons Zürich gegründete Werk für Benachteiligte ein. Ab Februar jedoch wird die Zürcher Stadtmission Solidara Zürich heissen. Der neue Name geht mit einer neuen Finanzierung einher. So unterstützt Katholisch Stadt Zürich den Verein künftig mit einem höheren jährlichen Beitrag als bisher. Zusammen mit der christkatholischen Kirchgemeinde stellen die Zürcher Landeskirchen künftig 40 Prozent des gesamten Budgets.

Mission als Hindernis

Obwohl damit ein Stück reformierter Identität verloren geht: «Die Zeit war reif für einen neuen Namen», sagt die Leiterin der Stadtmission, Beatrice Bänninger. In den letzten 158 Jahren habe sich «so einiges getan». Heute seien «sowohl Mitarbeitende wie auch Gäste längst nicht mehr auf die reformierte Zielgruppe beschränkt». Über einen neuen Namen habe das Werk schon im Rahmen des 150-Jahr-Jubiläums diskutiert. Damals ohne Ergebnis. Doch nun hätten sich die Vertreterinnen und Vertreter der drei Kirchen auf eine Bezeichnung geeinigt, die allen gerecht werde, «und auf einen Blick zeigt, was wir leisten»: Solidarität mit den Menschen.

Der evangelisch geprägte Begriff Stadtmission war laut Bänninger eher hinderlich, wenn es darum ging, Spenden zu beschaffen. «Ständig mussten wir uns dafür rechtfertigen und klarstellen, dass wir nicht im Sinn haben zu missionieren.» Der neue Name beweise, dass wir «eine bunte und konfessionell ungebundene Truppe sind». Verständnis für kritische Stimmen, die vor allem von reformierter Seite zu vernehmen waren, hat sie dennoch: «Es tut immer weh, sich von einer Tradition zu verabschieden.» Etwas wehmütig gibt sich denn auch der langjährige Leiter des Café Yucca, Kurt Rentsch. «Gewöhnungs-bedürftig» sei der neue Name seines Arbeitgebers schon, obwohl er ihm von der Bedeutung her gut gefalle. Dies habe wohl mit seinem «Theologenherz» zu tun. Er ist aber überzeugt, dass sich Solidara «weiterhin an christlichen Werten orientieren wird». Denn die Kirche stehe in erster Linie für Nächstenliebe. Rentsch verweist auf die Historie: Die Stadtmissionare waren in der Anfangszeit die Einzigen, die das in den dunklen Löchern des Niederdorfs hausende «Lumpenproletariat» besuchte. Sie wollten die Leute zwar in die Kirche bringen, hatten aber keine Berührungsängste. Rentsch ist froh, dass sich am bewährten Angebot des Hilfs-werks nichts ändern wird: Sowohl das Café Yucca als auch die Anlaufstelle für Sexarbeitende, Isla Victoria, machen unter dem gleichen Namen weiter.

Gefallen am neuen Namen findet auch Grossmünster-Pfarrer Christoph Sigrist, der im Vorstand der Evangelischen Gesellschaft sitzt. Für ihn ist klar: «Diakonie in der Stadt Zürich kann nicht mehr konfessionell, sondern nur noch ökumenisch, ja interreligiös und interkulturell, bewältigt werden.» Und dies dürfe sich auch im Logo manifestieren.