Eine Zürcher Kirche wird zum virtuellen Unterwasserzoo

Kultur

Die Kirchgemeinde Zürich vermietet die Kirche auf der Egg in Wollishofen an das Künstlerkollektiv Projektil. Es erhält eine langfristige Perspektive zur Umnutzung für Lightshows.

Korallenriffs wachsen die Kirchenwände empor, Fische und Meeressäuger erkunden die Decke: Viele Jahre stand die Kirche auf der Egg in Zürich Wollishofen leer. Ab Ende September soll sie sich wieder füllen, und zwar mit Besuchern, die in ein audiovisuelles Aquarium eintauchen wollen. Denn das Künstlerkollektiv Projektil lanciert dort seine  Show «Pixel Zoo Ocean». Zielpublikum sind Kinder und Familien. Die Kirchgemeinde Zürich hat den markanten Bau aus den 1930er-Jahren an die Lichtkünstler zwischenvermietet. Zunächst als Probelauf bis März 2024, geplant ist ein langfristiges Mietverhältnis. «Wir möchten die Kirche als eine Art Homebase nutzen, an der wir neue Shows entwickeln und ausprobieren können», sagt Roman Beranek, Creative Director von Projektil.

Die Grösse und die Symmetrie des Raumes sind faszinierend, die Kirche erin­nert fast an ein Raumschiff
Roman Beranek, Creative Direktor Projektil

Wenn die Rechnung aufgeht, hätte die Kirchgemeinde einen Problemfall weniger im Immobilienportfolio. Sie sucht schon lange nach einer neuen Verwendung für den Sakralbau, den sie seit bald zehn Jahren kaum noch nutzt, weil er für die zurückgehende Zahl an Gottesdienstbesuchern völlig überdimensioniert ist.

Diese Monumentalität kommt Projektil nun entgegen. «Die Grösse und die Symmetrie des Raumes sind faszinierend, die Kirche erinnert fast an ein Raumschiff», sagt Beranek. Hinzu komme die prominente Lage der Kirche am Hang mit Blick über den See und die Stadt. Teils abenteuerlich waren Pläne für die Kirche in vergangenen Jahren. Ein Begegnungszentrum und ein Kinderhotel standen zur Diskussion. Schliesslich wurde sie zum Orgelkompetenzzentrum Kunstklangkirche, doch das Projekt scheiterte 2018 finanziell.

Spirituelle Momente

Der für Immobilien zuständige Kirchenpfleger Michael Hauser hofft bei der Neuvermietung auf Breitenwirkung und Begeisterung auch bei kirchenfernen Menschen. «Wir wollen unseren Mitgliedern und den Bürgern der Stadt etwas zurückgeben.» Auch sieht er inhaltliche Überschneidungen mit den kunstvollen Lichtshows von Projektil. Das Künstlerkollektiv ist bekannt für Projektionen wie «Genesis» und «Wonders», die zunächst im Zürcher St. Jakob, mittlerweile aber in Kirchen in ganz Europa die Massen anziehen. «Viele unserer Shows haben starke spirituelle Momente», sagt Roman Beranek. «Genesis», das sich dem Schöpfungsbericht widmet, soll nun abends in der Kirche auf der Egg gezeigt werden.

Die Kirchgemeinde und Projektil schliessen auch gemeinsame Projekte nicht aus. Im St. Jakob habe die Kirchgemeinde die Lichtshow genutzt, um sich in Veranstaltungen inhaltlich mit Genesis zu beschäftigen, sagt Beranek. Hauser sieht die Vorgaben eingelöst, die sich die Kirchgemeinde mit Blick auf Vermietungen gesetzt hat. Etwa, dass Kirchen Begegnungsorte bleiben und Identität stiften. Zwar handelt es sich um einen kommerziell arbeitenden Mieter, der Eintritt verlangt. Dieser bleibe aber im Rahmen, betont Hauser. Auch kann die Kirchgemeinde den Raum nutzen an jenen Tagen, an denen keine Veranstaltungen stattfinden.

Unterhaltung und Lernen

Projektil bewirbt die Show als grösstes digitales Aquarium Europas, es soll Unterhaltung und Wissensvermittlung verbinden. Kinder könnten mithilfe der Projektionen Fakten zu Unterwasserwelt und Umweltschutz lernen, so Beranek.Im Gang, der den Kirchenraum umgibt, sind interaktive Projektionen und ein Malatelier geplant. Damit die Projektionen im Kirchenraum tagsüber stattfinden können, wurden automatische Storen installiert. Die Zwischennutzung der Kirche auf der Egg ist die dritte Vermietung einer Kirche in der Stadt Zürich innerhalb von zwei Jahren.

Bislang hat die Kirchgemeinde vor allem auf Behörden als Mieter gesetzt. Die Bullingerkirche wird seit Februar als Parlamentssaal von Gemeinde, Kanton und Kirche genutzt. Die Kirche Wipkingen soll zum Mittagshort für Schulkinder werden. Planungen laufen noch für die Kirche Saatlen, bei ihr steht eine Nutzung als interreligiöses Zentrum zur Debatte.