Andreas Biank nimmt einen Blasebalg und bläst Luft auf einen Holzstamm, dessen Oberseite breitflächig glüht. «Ich fache das Feuer an, um an dieser Stelle eine Vertiefung für meine Skulptur zu schaffen», erklärt er. Flammen züngeln, Rauch qualmt. Biank schaut prüfend und ist zufrieden. Das Feuer, das er vor einigen Stunden auf dem Stamm angezündet hat, frisst sich in die gewünschte Richtung. Es ist früher Abend. Im Rauch zeichnen sich die Sonnenstrahlen ab, die in das Wäldchen direkt hinter dem Rollfeld des Flughafens fallen. Stille herrscht, denn in der Corona- Krise starten nur noch wenige Flugzeuge. Seit letztem März ist der Wald Bianks Freiluft-Atelier. Er bearbeitet Holzstämme, aus denen in mehreren Arbeitsschritten Skulpturen entstehen. Erste Objekte und Fotografien seiner Feuer zeigt er bald in der Flughafenkirche.
Er lässt die Glut für sich arbeiten
In einem Wald hinter dem Flughafen Zürich gestaltet Andreas Biank aus Holzstämmen Skulpturen, die er bald in der Flughafenkirche ausstellt.
Brennen und schleifen
Auf dem Waldboden liegen mächtige Stämme und Baumstrünke, an denen der Künstler parallel arbeitet. Einige haben ihm die Förster gebracht, andere hat er selbst gefunden. Während der eine Stamm glüht, raspelt Biank bei einem anderen, in den das Feuer schon ein tiefes Loch gebrannt hat, das Verkohlte weg. «Ich hole Formen und Farbverläufe hervor.» Fünf Kisten mit Werkzeugen stehen bereit. Die letzten Schleifarbeiten finden jeweils in Bianks Atelier in Küsnacht statt. Die fertigen Skulpturen sind archaisch anmutende, rund ein Meter hohe Objekte. Ein bisschen wirken sie wie verkohlte Überreste eines abgebrannten Hauses. Die am bivalente Kraft des Feuers, das zerstören kann, aber auch Licht und Wärme spendet, fasziniert Biank. «Meine Skulpturen stellen beide Aspekte dar: Sie haben verkohlte und helle Stellen und zeigen sowohl Dunkelheit als auch Licht.»
Licht und Dunkelheit
Das Dunkle und das Helle beschäftigen den Künstler auch im übertragenen Sinn. Er ist überzeugt: «So wie ich aus dem verkohlten Holz das Helle herausarbeite, so sind wir Menschen eingeladen, in dunklen Zeiten unseres Lebens immer wieder das Licht zu suchen.» Diese Botschaft ist dem Künstler ganz wichtig. Er hat sein Schleifwerkzeug abgestellt und stützt sich auf einen Baumstamm ab. «Schwierige Lebensphasen bieten die Möglichkeit zu persönlicher Erneuerung », sagt er mit festem Blick. Das habe er selbst erlebt, erzählt Biank. Vor sieben Jahren landete er in einem Burnout. Lange Jahre als Behindertenbetreuer in einer so- zialtherapeutischen Bildungs- und Arbeitsstätte hatten ihn ausgelaugt. Biank spricht davon, wie der Wald für ihn zum Rückzugsort wurde. Hier besann er sich auf seine beruflichen Wurzeln. Denn einst hat der gebürtige Deutsche eine künstlerische Ausbildung absolviert. Eine Erinnerung an die Lebenskrise steckt Biank bis heute in den Knochen. «Anfangs fühlte ich mich extrem schlecht, weil ich nichts mehr leisten konnte. Alle, die das auch erleben, möchte ich ermutigen: Haltet das aus! Das Dunkle einer Krise kann wie ein Brunnen sein, in dem man Gold finden kann.»
Warten und wachen
Aus Bianks Tief erwuchs die Idee zu seiner heutigen Kunst. Vier Tage in der Woche arbeitet der Künstler im Wald beim Flughafen. Noch bis im März 2021 dauert sein Kunstprojekt «aus Feuerkraft». Am liebsten ist Andreas Biank in der Nacht tätig. Ein behelfmässiger Unterschlupf aus Plastikplanen ist sein Bett. Hier legt er sich nur für Momente hin. Immer wieder steht er auf, um die Glut zu überwachen. Auch heute Nacht wird er sich in seinem Biwak jeweils kurz regenerieren, während die Glut im Dunklen glimmt und an seiner Kunst weiterarbeitet.
Vernissage: 3. September, 17 Uhr, Flughafen.
www.flughafenkirche.ch