Ein wichtiger Mahner und Aufklärer ist gestorben

Zeitzeuge

Der emeritierte jüdische Germanistikprofessor Ladislaus Löb ist mit 88 Jahren in Zürich verstorben. Er war einer der letzten Holocaust-Überlebenden.

«Eindrücklich hat Professor Dr. Ladislaus Löb über den Holocaust aufgeklärt und vor Rassismus und Antisemitismus gewarnt», sagt Anita Winter, Präsidentin der Stiftung Gamaraal, die Holocaust-Überlebende unterstützt und die Erinnerung an die Schreckenstaten der Nationalsozialisten wachhält. «Diese Arbeit müssen wir nun schweren Herzens ohne ihn weiterführen.»

Der emeritierte Germanistikprofessor Ladislaus Löb, Überlebender des Holocausts, ist am Samstag im Alter von 88 Jahren verstorben. Löb lehrte hauptsächlich an der University of Sussex, Brighton. 2012 wurde er mit dem «Austrian Holocaust Memorial Award» geehrt. 2017 nahm er erneut Wohnsitz in Zürich, wo er bis zuletzt lebte.

Schreckliche Erinnerungen

«Man stelle sich die Scham des Kindes vor, wenn es sich mit einem gelben Stern an seiner Kleidung in der Öffentlichkeit zeigen soll, und seine hilflose Wut, wenn es aus seiner Wohnung ziehen und zulassen muss, dass gierige Nachbarn seine persönlichsten Besitztümer durchstöbern», schrieb Löb in einem autobiografischen Text.

Eindrücklich hat Professor Dr. Ladislaus Löb über den Holocaust aufgeklärt und vor Rassismus und Antisemitismus gewarnt.
Anita Winter, Präsidentin der Stiftung Gamaraal

Und weiter: «Man versuche sodann, den Schock des Kindes nachzufühlen, wenn es mit seiner gesamten Familie von bewaffneten Gendarmen brutal auf einen Lastwagen geladen und in einer zerfallenden Ziegelei, die als Getto dient, eingesperrt wird. Schliesslich male man sich aus, wie der Vater das Kind bei der Hand nimmt und beide aus dem Getto fliehen, während ihre Nächsten in ein Konzentrationslager namens Auschwitz deportiert und vergast werden.»

Karriere in England

Löb selber hörte erst später von Auschwitz, nachdem er als Kind selbst fünf qualvolle Monate im Lager Bergen-Belsen verbracht hatte. Bergen-Belsen galt als eines der schlimmsten deutschen Lager, weil dort in den letzten Monaten des zweiten Weltkriegs 50’000 Männer, Frauen und Kinder an totaler Verwahrlosung starben.

Ladislaus Löb im Videoporträt der Gamaraal Foundation

Löb überlebte wie durch ein Wunder, studierte Germanistik, doktorierte an der Universität Zürich und machte eine akademische Karriere an der University of Sussex. Um sein biografisches Trauma aufzuarbeiten, setzte er sich intensiv mit der Geschichte des Nationalsozialismus auseinander und «entdeckte eine Ideologie, der die Lüge als Wahrheit, die Feigheit als Mut, die Sklaverei als Freiheit, das Perverse als Norm und die Unmenschlichkeit als Tugend galt; eine Mentalität, die den Hass, die Aggression und die Zerstörung verherrlichte; eine Weltanschauung, die durchweg aus antisemitischen Vorurteilen bestand und deren höchstes Ziel die Vernichtung aller Juden war», wie er schreibt. Er versuchte, sich gegen die Angst und den Ekel vor den Nazis zu wehren, «indem ich ihre heroischen Posen der nüchternen Wirklichkeit gegenüberstellte».