Es gibt unzählige Angebote zum Fasten. Fasten ist in. Warum?
Martin Wohlbach: Es hat sich gezeigt, dass Fasten die Gesundheit fördert. Es steigert das Wohlbefinden und tut dem Körper und Geist tut. Fasten schafft den Freiraum für neue Gedanken, Empfindungen, Gefühle und Zeit, sodass man schädliche Gewohnheiten aufgeben kann. Manche wagen in Sachen Ernährung einen Neuanfang und essen gesundheitsbewusster. Andere erleben beim Fasten, wie wenig sie eigentlich im alltäglichen Leben brauchen, um zufrieden zu sein. All das sind Aspekte, die das Fasten populär machen.
Ist Fasten auch Ausdruck einer Gesellschaft, die im Überfluss lebt?
Das kommt auf den Hintergrund des Fastens an. Wir bieten in der Zwinglikirche in Dulliken das Fasten unter mehreren Gesichtspunkten an: Aus ethischen Gründen und um die eigenen Glaubenssätze zu überprüfen, als soziales Engagement, um Ressourcen zu schützen, aber auch aus gesundheitlichen Gründen als Heilfasten. Viele Teilnehmende erleben, dass sich durch mehrtägiges Fasten einige ihrer Beschwerden lindern. Natürlich ist in einer Woche kaum Heilung möglich. Man kann nicht erwarten, dass Beschwerden, die über Jahre hinweg bestehen, verschwinden. Aber es kann ein Anstoss sein. Man erfährt beim Fasten oft sofort eine spürbare Veränderung. Und man fängt an, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.
Die meisten Religionen kennen Zeiten des Fastens.
Ja, viele Kulturen verfügen über dieses uralte Wissen, Verzicht zu üben, egal, ob in christlichen oder buddhistischen Klöstern oder im islamischen Ramadan. Das Vorbild im Christentum ist ja Jesus, der vierzig Tage in die Wüste ging, fastete und dort auf den Teufel stiess. Ich selbst glaube nicht an den Teufel, aber an die kleinen Teufel in uns, die uns ständig in die Versuchung führen. Diese geistige und religiöse Auseinandersetzung, die viel Glaube, Wille und Disziplin braucht, zeigt, dass der Mensch nicht allein vom Brot lebt. Auch der Geist braucht das richtige Futter.
Wird man beim Fasten klarer?
Absolut. Schon nach zwei, drei Tagen klaren die Sinne. Eventuelle anfängliche Beschwerden wie Kopfweh und Schwindel zeigen, dass der Körper seinen Energiehaushalt umstellt. Man merkt, wie sich der Geschmack- und Geruchsinn verbessert, man aufmerksamer wird und klarer denkt. Nach zwanzig Jahren Fasten kann ich dies mehr als bestätigen.