Recherche 15. November 2021, von Cornelia Krause

«Essen für alle» hat sich neu organisiert

Armut

Das Sozialwerk Pfarrer Sieber hat sich wegen strategischer Differenzen aus der Partnerschaft zur Lebensmittelabgabe zurückgezogen. Die Freiwilligenorganisation sucht neue Spender.

Gut ein Jahr spannten die Freiwilligenorganisation «Essen für alle» und das Sozialwerk Pfarrer Sieber (SWS) zusammen und verteilten samstags in Zürich Lebensmittelpakete an Hunderte Bedürftige. Im Oktober haben sich die Wege nun getrennt. «Essen für alle» hat sich als Verein organisiert und ist wieder allein verantwortlich für die Nahrungsmittelabgabe, wie aus einer Medienmitteilung des Sozialwerks Pfarrer Sieber hervorgeht. Konkrete Gründe für die Trennung werden nicht genannt.

Recherchen zufolge gab es jedoch strategische Differenzen. Dabei geht es um die Grundsatzfrage, mit der sich Hilfsorganisationen wie auch Gemeinden beschäftigen: Mit welchen Angeboten sollen Bedürftige weiterhin unterstützt werden, jetzt, da die Wirtschaft wieder anzieht?

Sozialwerk wollte Bedürftige weitervermitteln

Dem SWS sei es im Lauf der Zeit vermehrt ein Anliegen gewesen, die Bedürfnisse der Betroffenen abzuklären und sie gegebenenfalls an andere Organisationen zu vermitteln, sagt Mediensprecher Walter von Arburg. «Es geht darum, die Probleme konkret anzupacken.»

Eine ähnliche Position vertritt das Sozialdepartement der Stadt Zürich, das die «wirtschaftliche Basishilfe» ins Leben rief – ein Pilotprojekt für finanzielle Unterstützung, geknüpft an Bedingungen und in Zusammenarbeit mit etablierten Hilfsorganisationen. Verändert habe sich ausserdem die Ausgangslage, argumentiert von Arburg weiter. Viele Angebote, die während der härtesten Pandemiemonate eingestellt wurden, sind jetzt wieder verfügbar. Zum Beispiel Caritas-Geschäfte, Tischlein-deck-dich oder die Schweizer Tafel.

Wir fragen nicht nach Herkunft und Budget.
Amine Diare Conde, Gründer von «Essen für alle»

Niederschwelliges Angebot erhalten

Bei «Essen für alle» soll dagegen der Name Programm bleiben. «Wir fragen nicht nach Herkunft und Budget und möchten uns nicht erlauben zu entscheiden, wer bedürftig ist und wer nicht», erklärt der Gründer der Initiative Amine Diare Conde, der selbst als Flüchtling in die Schweiz kam. Die Niederschwelligkeit des Angebots werde von vielen Menschen sehr geschätzt und dankbar angenommen. Die Nachfrage ist zwar etwa um ein Viertel zurückgegangen, aber noch immer stehen jede Woche rund 600 Menschen Schlange. Amine Diare Conde geht nicht davon aus, dass sich das bald ändert.

Noch immer 600 Menschen in der Schlange

Im Gespräch sind der Verein und das SWS noch über eine Zusammenarbeit im medizinischen Bereich. Diskutiert wird, dass Fachpersonen des Werks zurate gezogen werden, wenn Kunden der Nahrungsmittelabgabe gesundheitliche Probleme zeigen. Das SWS hat durch sein Spital Sune-Egge Expertise.

Das Ende der Partnerschaft hinterlässt beim Verein «Essen für alle» Spuren, denn es fallen Unterstützung bei Logistik und Administration weg sowie finanzielle Hilfe. Eine neue Lokalität hat das SWS kurz vor dem Ausstieg organisiert: Seit Oktober werden die Lebensmittel an der Allmendstrasse 93 ausgegeben. Um dort auch in Zukunft Nahrungsmittel verteilen zu können, ist «Essen für alle» auf neue Spender angewiesen.