Sie haben am Kirchentag in Nürnberg ein Referat zur Care-zentrierten Ökonomie gehalten und gerade zwei Bücher dazu veröffentlicht. Wie kommt es, dass eine Theologin so für dieses Thema weibelt?
Ina Praetorius: Ich beschäftigte mich schon als Studentin der Sozial- und Wirtschaftsethik mit Fragen rund um die unbezahlte Sorge-Arbeit. Mit der unsichtbaren «privaten» Arbeit also, auf der unsere kapitalistische Wirtschaft basiert. Das Thema treibt mich heute mehr um denn je, zumal wir mit einer existenziellen Krise konfrontiert sind: dem Klimawandel. Wir müssen uns abwenden von der profitgetriebenen Ökonomie und die Fürsorge für Menschen und Natur ins Zentrum rücken.
Wird das gelingen?
Im Mai fand im Europa-Parlament ein grosser Kongress mit dem Titel «Beyond growth» («Über das Wachstum hinaus») statt. Es ging um die dringend notwendige Transformation von der wachstumsorientierten Wirtschaft hin zu einem sozial und ökologisch verträglichen Konzept von Wohlstand. Auch Care-Arbeit war prominentes Thema. Insider bezeichnen diesen Kongress als epochales Ereignis, was mich optimistisch stimmt. Das Echo in den Medien war aber zu gering. Wir werden immer noch täglich über die Börsenkurse informiert, aber nur alle paar Monate über zukunftsfähige Care-zentrierte Ökonomie.
Frauen machen mehr als die Hälfte der Weltgemeinschaft aus. Warum hat Care-Arbeit, die traditionell ihnen zugeschrieben wird, dann so einen schlechten Status?
Dafür gibt es viele Gründe, die zurückreichen bis in die antike Sklaverei. Weil die traditionelle Idee der «heiligen Familie» immer noch nachwirkt, drückt man Care-Arbeit ungern in Zahlen aus. Sie gilt vielen als selbstlose «Liebe». Entsprechend sind Frauen zu wenig organisiert. Hätten Pflegende und Kindergärtnerinnen so starke Lobbys wie Bauern oder Metallarbeiter, wären sie eine starke Kraft im Kampf für eine gute Zukunft. Viele Frauen nehmen ihre eigene Existenz noch nicht als Teil der Wirtschaft wahr. Doch das ändert sich gerade. Die Wirtschaftswissenschaft ist zum Glück inzwischen keine Männerbastion mehr. Und Aktionen wie der Frauenstreik mobilisieren massiv.