«Bei der Gleichstellung müssen wir alle wachsam bleiben»

Frauenstreik

Auch die Kirchenfrauen streiken am 14. Juni. EKS-Präsidentin Rita Famos sieht die Gleichstellung gut gestartet, aber nicht am Ziel

Etliche Schlüsselpositionen bei den Reformierten sind derzeit von Frauen besetzt. Gibt es punkto Gleichstellung überhaupt noch Grund zum Demonstrieren?

Rita Famos: Es ist schön zu sehen, dass von den 25 Präsidien unserer Mitgliedskirchen neun durch Frauen besetzt sind. Im Rat der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) gibt es jedoch eine deutliche Frauenmehrheit. Schwieriger präsentiert sich die Situation bei den operativ Verantwortlichen. Bei den Abteilungsleitenden und den Kirchenschreibern sind Frauen deutlich in der Minderheit. Die EKS und ihre Mitgliedskirchen müssen somit weiterhin auf Durchmischung bei den Funktionen achten.

In den evangelisch-reformierten Kirchen der Schweiz sind die Frauen den Männern rechtlich gleichgestellt. Alles gut also?

Gut ist jedenfalls, dass alle jede Funktion wahrnehmen können und dafür den gleichen Lohn bekommen. Auffällig ist dabei allerdings, dass die kirchlichen Berufe mit kleinen Pensen, vorab bei den Katechetinnen und Katecheten, vornehmlich von Frauen ausgeübt werden. Hier sollten die Kirchen wachsam sein, denn es ist wichtig, dass Männer und Frauen die Kinder im Glauben unterrichten und ihnen damit zu Vorbildern werden.

Auffällig ist, dass die kirchlichen Berufe mit kleinen Pensen vornehmlich von Frauen ausgeübt werden.
Rita Famos, Pfarrerin, Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS).

Die Evangelischen Frauen Schweiz fordern mehr Sichtbarkeit der Arbeit der Frauen in den Kirchen und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Nehmen Sie diese Forderungen auf?

Die Frauen leisten in unserer Gesellschaft mehr informelle, Männer mehr institutionelle Freiwilligenarbeit. Die Frage nach Vereinbarkeit trifft beide Geschlechter. Auch die wirtschaftlich-sozialen Umstände spielen eine Rolle: Wer kann es sich leisten, sich freiwillig zu engagieren, und wer muss, der sozialen Umstände wegen, unbezahlte Arbeit für Angehörige leisten?

Die Situation der Frauen in vielen anderen Weltregionen ist deutlich schlechter als hierzulande. Was tut die Kirche, um sie zu unterstützen?

Ich bin in engem Austausch mit der Präsidentin der Weltgemeinschaft der Reformierten, Pfarrerin Najla Kassab. Unser Ziel: die Frauen innerhalb der reformierten Kirchen zu stärken. An der Tagung «Women in Leadership» im letzten Herbst, an der ich teilgenommen habe, ging es darum, Frauen aus Kirchen ohne Frauenordination in ihrem Kampf um Gleichstellung zu ermutigen. Wir evangelischen Pfarrerinnen sind wichtige Rollenmodelle für die Frauen in der römisch-katholischen und in orthodoxen Kirchen.