Das hohe «C» soll wieder mehr an Strahlkraft bei der CVP gewinnen. Vehement klagt der neue CVP-Parteipräsident Gerhard Pfister eine Debatte um christliche Werte ein. SP-Parteipräsident Christian Levrat reagiert scharf und schleudert dem politischen Gegner den Vorwurf des «christlichen Totalitarismus» entgegen. Für Levrat kann eine moderne Wertedebatte nur von den Menschenrechten her geführt werden. Und diesen universalen Rechtekanon verdanke die Menschheit der Aufklärung.
Westlich geprägt. Natürlich hat auch Pfister eine Liaison mit den Menschenrechten. Nur leitet er ihren Ursprung vom Christentum ab. Dies findet auch den Beifall von Ringier-Publizist Frank A. Meyer: «Die Menschenrechte sind ohne jeden Zweifel Frucht der konfliktreichen westchristlichen Kulturgeschichte.» Historiker Georg Kreis hält dagegen: «Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die UNO-Menschenrechtsdeklaration verabschiedet, als gemeinsames Werk der Menschheit und nicht als Ausdruck des abendländischen Christentums.»
Wer hats erfunden? Für Christoph Ammann lässt sich dies nicht so einfach beantworten. «Die Herkunftsgeschichte der Menschenrechte ist so komplex wie ideologisch umstritten», sagt der Theologe vom Institut für Sozialethik der Universität Zürich. Es greife zu kurz, die Menschenrechte entweder als christliche Errungenschaft oder als Produkt der Aufklärung zu sehen.
Natürlich liegt es für Christen nahe, von der in der Schöpfungsgeschichte postulierten Gottesebenbildlichkeit des Menschen auf die Menschenwürde zu schliessen. Umgekehrt kann Levrat eines geltend machen: Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein haben die christlichen Kirchen in Europa gegen die Idee der Menschenrechte angekämpft.
«Letztendlich muss man das Postulieren von Menschenrechten immer aus konkreten historischen Konstellationen heraus verstehen», sagt Ammann und verweist exemplarisch auf die Gräuel des Zweiten Weltkriegs. Ohne diese Zäsur sei die Entstehung der Allgemeinen Menschenrechtserklärung 1948 nicht zu verstehen.
Bewusst haben die Autoren der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen – Konfuzianer, humanistische Sozialisten, Muslime und Christen – 1948 darauf verzichtet, die Menschenrechte aus kulturellen oder religiösen Traditionen abzuleiten. Nicht zufällig, wie Christoph Ammann betont: «Die Pointe der Menschenrechte ist ohne Zweifel ihre universale Geltung.» Umstritten sei hingegen nach wie vor, in welchen soziokulturellen Nährböden diese universalistische Idee Wurzeln schlagen könne. Zudem sei das Ringen längst noch nicht entschieden, ob die Menschenrechte tatsächlich von ganz unterschiedlichen Weltanschauungen mit Überzeugung bejaht werden können.
Bedingungslos für alle. Aus christlicher Sicht sind die Menschenrechte für Ammann konkreter Ausdruck der Menschenwürde, die jedem Menschen bedingungslos zukommt. Dies heisst, dass wirklich jeder Mensch, auch Demente und Schwerstbehinderte, zur Menschheitsfamilie gehören. Ammann wörtlich: «Jeder Einzelne hat einen unvergleichlichen Wert, weil Gott jeden Menschen liebt wie sein eigenes Kind.»