Welchen Einfluss hat die Trennung von der leiblichen Mutter auf die Persönlichkeit eines Kindes?
Irmela Wiemann: Sie ist für jedes Kind eine ganz schmerzliche Erfahrung und geht mit einer lebenslangen Trauer und Verunsicherung einher. Sie äussert sich in mehr oder weniger stark ausgeprägten Verlust- und Bindungsängsten gegenüber den Adoptiveltern. Denn das Kind wurde weggegeben und befürchtet, dass es nochmals passiert.
Ist das auch bei Kindern so, die als Babys weggegeben wurden?
Ja. Denn auch Babys registrieren diesen ersten, sehr frühen Verlust. Man hat beispielsweise im Gehirn von Säuglingen, die von Leihmüttern geboren wurden, auch noch eine Woche nach der Trennung starke Erregungen festgestellt.
Bedeutet diese Verlusterfahrung, dass es Adoptivkinder schwerer im Leben haben, etwa anfälliger für psychische Belastungen sind?
Nicht alle. Es gibt Statistiken, die belegen, dass die eine Hälfte im Alter von 25 Jahren die Integration in die Gesellschaft gut gemeistert hat, die andere aber mit Selbstwert-, Leistungs-, Bindungs- und auch Suchtproblemen kämpft. Betroffene denken, dass mit ihnen etwas nicht stimmt und sie den Ansprüchen von Adoptiveltern, Schule und Gesellschaft nicht gewachsen sind. Sie reagieren etwa mit Aggressionen.