Ihm haftet eine herabmindernde Bezeichnung an, hartnäckig wie ein Rotweinfleck: Vom «ungläubigen Thomas» ist die Rede, wenn der Jünger dieses Namens erwähnt wird. Dabei verdient er diesen Namenszusatz nicht mehr und nicht weniger als die anderen elf Jünger, die mit Jesus unterwegs waren und alle ebenfalls ihre Momente der Skepsis und des Unglaubens kannten.
Das Johannesevangelium erzählt, wie Thomas zu seinem Ruf als Zweifler kam. Es war am Osterabend, als sich der vom Kreuzestod auferstandene Jesus seinen Jüngern zeigte. Thomas war nicht dabei. Als ihm die anderen von ihrer Begegnung erzählten, sagte Thomas: «Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und nicht meinen Finger in das Mal der Nägel und meine Hand in seine Seite legen kann, werde ich nicht glauben» (Joh 20,25).
Acht Tage später bekam Thomas Gelegenheit, sich handfest von der leiblichen Auferstehung Jesu zu überzeugen. Darauf sagte Jesus zu ihm: «Du glaubst, weil du mich gesehen hast. Selig, die nicht mehr sehen und glauben!» (Joh 20,29) Damit habe Jesus, heisst es oft, den Glauben von Thomas relativiert. Diese Deutung greift zu kurz: Auch Thomas wurde zum Apostel und trug das Evangelium weiter, wohl sogar bis nach Indien.