Gesellschaft 22. August 2024, von Daniel Stehula / ref.ch

Geschichte neu erzählen

Reformation

Vor 500 Jahren hat Katharina von Zimmern das Fraumünsterkloster an die Stadt Zürich übergeben. In Erinnerung an sie wird ein spezieller Turm neben der Kirche aufgestellt.  

Die Aufgabe, einen temporären Turm zu konstruieren, wurde von den Bewerberinnen ganz unterschiedlich gelöst. Was war Ihr Zugang?

Debora Burri-Marci: In erster Linie wollten wir wirklich einen Turm bauen. Zweitens sollte zwischen dem bestehenden Nordturm der Fraumünsterkirche und dem temporären Turm ein Dialog hergestellt werden. Deshalb hatten wir in unserem Turm, auf gleicher Höhe des Zifferblatts des Nordturms, ursprünglich eine Dampfmaschine vorgesehen, welche zu jedem Glockenschlag der vollen Stunde Dampfwolken in den Stadthimmel entsenden sollte. Das Motto unseres Beitrags war: «Frauen machen Dampf».

Ihr Turm nimmt ausserdem Bezug auf die Äbtissinnen des Fraumünsters und die Legende von Hildegard und Bertha.

Was wir in die Gestalt des Turms aufgenommen haben, ist die Zahl der 29 Äbtissinnen, welche das Kloster geführt hatten. Der Turm hat deshalb 29 Pfeiler. Sie symbolisieren aber auch den Wald, durch den die Königstöchter Berta und Hildegard jeden Tag zum Gebet in die Kapelle des Grossmünsters gingen. Oft sollen sie dabei der Legende nach von einem Hirsch mit leuchtendem Geweih begleitet worden sein. Ihr Vater Ludwig der Deutsche stiftete deshalb schliesslich die Fraumünsterabtei.

Ein Turm auf Zeit

Neben dem Zürcher Fraumünster steht noch bis zum 10. Dezember ein zweiter Turm. Er ist ein Projekt des Vereins Katharinen-Turm und wird zu Ehren der letzten Äbtissin Zürichs, Katharina von Zimmern, aufgestellt. Sie hatte vor 500 Jahren das Fraumünsterstift an die reformatorisch gesinnte Zürcher Stadtregierung abgetreten. Die Fraumünsterkirche hatte bis ins 18. Jahrhundert zwei Türme – auch daran erinnert die Installation. Den Architektur-Wettbewerb für das Turmprojekt hat Debora Burri-Marci gewonnen, die im Tessin ein Architekturbüro betreibt. Studiert hat sie jedoch in der Stadt an der Limmat. Ihr Entwurf ist nicht nur in die Vergangenheit gerichtet: Das ein Kilometer lange Band, das um das Gerüst des Turmes gespannt wird, ist mit den Namen von 500 Zürcher Frauen bedruckt, die Gegenwart und Zukunft der Stadt prägen. 

Gab es bauliche Hürden?

Ursprünglich hätte der Turm mit einem provisorischen Fundament im Boden verankert werden sollen. Archäologie und Denkmalpflege der Stadt Zürich lehnten dies aber ab, da diese Stelle mitten in der Altstadt als archäologisch sensible Zone eingestuft ist. Wir mussten deshalb Ballaststeine wählen, die bloss auf den Boden gestellt werden.

Ein Stoffband windet sich um das Gerüst. Was steckt dahinter?

Die Zahl 500 bezieht sich auf das 500-Jahr-Jubiläum der Reformation. Das Bändergeflecht bildet für den Turm ein Kleid, welches mit den Namen von 500 Frauen beschriftet wird, die Zürich geprägt haben oder jetzt noch prägen. Das Band wirkt einerseits feierlich. Andererseits soll es dem starren Turm aus Metall eine dynamische Komponente verleihen: Es soll im Wind leicht vibrieren und den Turm so zum Leben erwecken. 

Katharina von Zimmern ist zwar eine historische Figur, doch es ist relativ wenig über sie bekannt. Wie stellen Sie sich die Frau vor?

Katharina von Zimmern war eine Tochter des Freiherrn Hans Werner von Zimmern, der aus Österreich in die Schweiz floh und sie im Fraumünsterkloster unterbrachte. Katharina wurde mit etwa 18 Jahren bereits Äbtissin, bis sie 1524 im Rahmen der Reformation das Kloster der Stadt Zürich übergab. Im Gegenzug bekam sie eine fürstliche Leibrente und das Wohnrecht im ehemaligen Kloster. Kurze Zeit danach heiratete sie und brachte zwei Kinder zur Welt. Katharina von Zimmern pflegte einen gehobenen Lebensstil und besass hohes Ansehen. Sie konnte ihre Macht als Bauherrin und Kunstmäzenin ausüben. Aus heutiger Sicht stelle ich sie mir als eine sehr privilegierte Frau vor.

Und was bedeutet es Ihnen, einen Turm zu entwerfen, der an sie erinnert?

Der Turm zu Ehren von Katharina von Zimmern ist sicher wichtig. Mich berührt aber eher die Tatsache, dass er für 500 bedeutende Frauen Zürichs steht. Für mich ist es zudem eine grosse Ehre ihn mitten in der Altstadt bauen zu dürfen. Ich habe zehn Jahre in Zürich gelebt und die Stadt ist ein Teil von mir geworden.