Zusammen persönliche und kulturelle Grenzen überwinden

Gesellschaft

Junge Erwachsene aus vier Kontinenten nehmen während zwei Jahren am Jugendbotschaftsprogramm des Hilfswerks Mission 21 teil. Diesen Sommer trafen sie sich in der Schweiz.

Clifford Ibrahim aus Nigeria hat in den vergangenen Tagen in jeder Hinsicht Neuland betreten: Er hat das erste Mal das eigene Land verlassen, fremdes Essen und gekostet und junge Erwachsene aus anderen Kontinenten kennengelernt. Auch interviewt wurde er noch nie und er sei etwas nervös, sagt er lächelnd, während er sich an den Tisch im hellen Sitzungszimmer des alten Basler Missionsgebäudes setzt. 

Der 25-Jährige nimmt teil am internationalen Jugendbotschaftsprogramm von Mission 21 und besucht zusammen mit 16 jungen Leuten aus Asien, Afrika und Lateinamerika diesen Sommer die Schweiz. Gastgebende sind die 16 europäischen  Jugendbotschafter, sie gestalten den vierzehntägigen Aufenthalt, unterstützt vom Team Young@mission21 und von früheren Jugendbotschafterinnen.

Brennende Themen

In den vergangenen Tagen ist die internationale Gruppe, die sich schon von Online-Meetings kennt, nach Winterthur und Zürich gereist. Ro­thenthurm und Luzern stehen noch auf dem Programm. Es wurde bereits rege diskutiert, man tauschte sich über «burning issues» in den jeweiligen Heimatländern aus. 

Für Clifford sind dies die fehlenden wirtschaftlichen Perspektiven in Nigeria: «Viele Menschen haben keine Arbeit und nicht genug zu essen, besonders für uns Junge ist die Situation schwierig», erzählt er. Drogenkonsum aus Frustration sei weitverbreitet. Eine wichtige Rolle in Cliffords Leben spielt die Kirche der Geschwister (EYN), eine Partnerkirche von Mission 21, wo er den grössten Teil seiner Freizeit verbringt und seit Kurzem auch als Lehrer arbeitet. Doch die Kirche sei stark von der Gewalt der islamistischen Terrormiliz Boko Haram betroffen. «Seit die Gebäude zerstört wurden, treffen wir uns in den Ruinen der ehemaligen Kirche», erzählt Clifford.

Sie habe kaum etwas über Afrika gewusst und auch nicht über Europa oder Asien, sagt Raysa Díaz aus Peru: «Ich lerne viel und bin sehr dankbar dafür.» Die 26-Jährige ist Soziologin und arbeitet bei der feministischen Organisation Flora Tristán in Lima, einer Partnerorganisation von Mission 21. Flora Tristán setzt sich auf politischer und sozialer Ebene für die Rechte der Frauen und damit für eine Gesellschaft ein, in der niemand diskriminiert wird. 

Prägungen reflektieren

Geschlechtergerechtigkeit ist auch bei den Jugendbotschafterinnen ein wichtiges Thema. «Wenn du Feministin bist, willst du die Welt verändern», sagt Raysa. Ihr sei während der Diskussion klar geworden, dass die Teilnehmenden einen komplett unterschiedlichen Hintergrund hätten. «Ich kann niemanden zwingen, so zu denken wie ich, aber wir haben einander zugehört und sind uns dadurch nähergekommen.»

Es sind intensive Tage für die jungen Leute. Über die Klimakrise wird diskutiert, aber auch über häusliche Gewalt und Homosexualität. 

Die Themen hat die Gruppe im Vorfeld selbst festgelegt, passt das Programm jedoch laufend an die eigenen Bedürfnisse an. Es gebe auch die Möglichkeit, sich einmal auszuklinken, wenn man nicht klarkomme mit einem Thema, sagt Barbara Grass, die das Team Young@mission21 leitet. Sich mit eigenen Werten, Prägungen und Überzeugungen zu befassen, sei anspruchsvoll. «Aber die Gruppenmitglieder schauen zueinander und unterstützen sich gegenseitig in diesem Prozess.»

Indem wir einander zuhören, kommen wir uns näher.
Raysa Díaz, Soziologin und Jugendbotschafterin

Wenn sie nach zwei Wochen zurück in ihre Heimat reisen, haben die jungen Menschen einen «action plan» im Gepäck, was sie in ihre Organisation, Kirche oder Jugendgruppe einbringen wollen. Und sind um eine Fülle von Begegnungen, Eindrücken und Erfahrungen reicher. Sie habe in der Schweiz aufgehört, Make-up zu tragen, weil es viele Frauen hier auch nicht täten, erzählt Keshiramel Jomil aus Malaysia. «Mir gefällts, weil ich mehr Zeit habe», lacht die 25-Jährige. 

Persönliches Wachstum

Clifford sagt, er geniesse jeden Moment des insgesamt zweijährigen Jugendbotschaftsprogramms und profitiere viel davon. Er sei eigentlich sehr schüchtern. «Doch dieses Programm hilft mir, meine Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern.» Er habe gelernt, sich einzubringen.

Gleichzeitig lernt der Nigerianer durch den Austausch andere Per­spektiven und neue Ideen kennen. Jetzt strahlt er über das ganze Gesicht, als er sagt: «All das gibt mir Hoffnung, dass meine Generation einmal eine bessere Zukunft haben kann.»

Das Jugendbotschaftsprogramm wird von den Stiftungen Movetia und Wegweiser unterstützt.