Das Licht des Advents verändert die Welt
Theologinnen und Theologen aus aller Welt haben Adventstexte ausgesucht und interpretiert. Dabei zeigt sich, wie lebensnah und politisch brisant die Bibel bis heute ist.
Natallia Vasilevich über:
Viele Leute in Belarus haben das Gefühl, im Schatten des Todes zu leben. Der Morgen beginnt nicht mit dem hoffnungsvollen Warten auf die Sonne, sondern mit der Angst, dass die Polizei ins Haus einbricht. Wer einer politischen Gefangenen eine Weihnachtskarte schickt oder deren Kind ein Geschenk, kann als Extremistin verunglimpft werden.
Trotzdem bringen die Menschen das Strahlen der aufgehenden Sonne ins Leben anderer. Obwohl öffentliche Solidarität verboten ist, gedeihen Akte der Freundlichkeit im Untergrund. Im Schatten schaffen Menschen Räume der Hoffnung und nutzen den Schutz der Dunkelheit, um einander Gutes zu tun.
Gott kam in die Welt nicht mit Macht, sondern in seiner Verwundbarkeit. Sein Licht durchbrach die Nacht und zeigte, dass die Liebe die Kraft hat, Leben zu verändern. In Belarus lernen die Menschen heute, diese Wahrheit durch kleine Taten des Mutes und der Liebe zu leben.
Natallia Vasilevich ist orthodoxe Theologin und Menschenrechtsanwältin aus Belarus.
(Foto: Christoph Knoch)
Sally Azar über:
Die Worte aus dem Johannesevangelium erinnern uns im Advent daran, warum wir Weihnachten feiern: weil Gott Licht und Frieden in unsere dunkle Welt gebracht hat. Doch hier, in Jerusalem und Bethlehem, erleben wir oft eine andere Realität. Der Lärm des Krieges übertönt die Stille der heiligen Orte, und die Hoffnung scheint von den Mauern, Checkpoints und den täglichen Sorgen erdrückt zu werden.
In der Adventszeit rückt dieses Licht für uns jedoch näher. Es wird klarer, als wir es uns sonst vielleicht bewusst machen. Es ist eine Zeit, in der wir uns fragen: Wo ist dieser Frieden, den Jesus brachte? Wie kann ich als palästinensische Pfarrerin dazu beitragen, ihn sichtbar zu machen, mitten in der Unruhe und dem Schmerz? Diese Frage stelle ich auch dir: Wie lebst du den Frieden Jesu in deinem Leben?
Im Angesicht des Krieges wird mein Glaube zur Herausforderung, aber auch zur Kraftquelle. Das Licht, das in Bethlehem geboren wurde, ist ein Licht, das mich lehrt, weiter zu hoffen und zu handeln: als Zeugin des Friedens, auch wenn er nicht greifbar scheint.
So wird Advent für mich zu einer Einladung, trotz allem auf Gottes Licht zu vertrauen und das Licht des Friedens, das über alle menschlichen Grenzen hinausstrahlt, zu leben. Wenn wir Christen und Christinnen nicht hier sind, wer sonst soll dann die Geschichte von Jesus Christus weiter leben und erzählen?
Sally Azar ist Pastorin in der evangelisch-lutherischen Kirche in Jordanien und dem Heiligen Land.
(Foto: LWB/A. Hillert)
Tobias Brandner über:
Viele mögen sich gelangweilt fragen, was die Aufzählung der Namen herrschender Personen soll. Anders in Hongkong. Es ist erschütternd, wie präzis der Text die Gegenwart beschreibt: Eine Doppelherrschaft von Imperium und lokaler Führung – das Verbindungsbüro Chinas und die Stadtregierung–, verstärkt durch einige mit Beijing verbundene Kirchenleitungen als religiöse Elite. Der «garstige Graben» (Lessing) zwischen damals und heute ist plötzlich wie verflogen.
Der Text stellt das Kommen Jesu und das vorgängige Wirken des Täufers präzis in den politischen Kontext der doppelten Unterdrückung durch die römische Kolonial- und die herodianische Lokalmacht und die sadduzäische Tempel-Elite.
In diese aussichtslose Lage tritt ein radikaler Prediger, der Befremden auslöst. Er wendet den Blick ab von der scheinbar unverrückbaren Herrschaft, hin auf uns alle. Veränderung kommt daher: von der Umkehr, Vergebung und Versöhnung der vielen. Die Geschichte gibt ihm recht: Wie Jesus starb er einen Märtyrertod, aber ihr Wirken löste über Jahrhunderte tiefgreifende Veränderungen aus und stürzte Imperien.
Tobias Brandner ist Theologieprofessor und Gefängnisseelsorger in Hongkong.
(Foto: Delf Bucher)
Silvia Regina de Lima Silva über:
Diese Worte des Propheten Jesaja gewinnen an Bedeutung, wenn sie im aktuellen Kontext gelesen werden, der von Kriegen, Völkermorden und Klimakatastrophen geprägt ist. Unsere heutige Zeit bringt uns der damaligen Realität des Propheten näher. Es war eine harte Zeit mit einem grausamen König.
In den Worten des Propheten tauchen zwei Symbole der Hoffnung auf: Licht und Kind. Was bedeutet es, an einen Gott zu glauben, der sich in der Zerbrechlichkeit eines neugeborenen Kindes manifestiert? Ein Kind, das mit vier Eigenschaften ankommt: wunderbarer Ratgeber, starker Gott, ewiger Vater, Fürst des Friedens. Damit das Licht in der Dunkelheit scheint, brauchen wir einen Kindergott, der uns berät und uns hilft. Möge er uns Kraft geben, uns ein Vater oder eine Mutter sein, immer gegenwärtig und in Zeiten von Völkermorden und Kriegen präsent als Fürst des Friedens, als Kind des Friedens.
Silvia Regina de Lima Silva, feministische Theologin, Leiterin der DEI, einer Partnerorganisation von Mission 21 in Costa Rica.
(Foto: Dorothee Adrian/Mission 21)
Mary Kategile über:
Afrikanische Hirten leben als Nomaden auf der Suche nach Weideland für ihr Vieh. Es ist schwierig für sie, genug Nahrung und Wasser zu finden oder einen Platz zum Schlafen. Die Botschaft des Engels ist eine gute, hoffnungsvolle Nachricht für sie. In ländlichen Gebieten gibt es unterschiedliche Arten, Neuigkeiten auszutauschen. Wenn sie eine gute Nachricht erhalten, freuen sich die Menschen.
Die Botschaft der Hoffnung ist notwendig. Wir leben in schwierigen Zeiten. Viele Menschen haben Angst, sie wissen nicht, ob sie etwas zu essen bekommen, ob ihre Kinder Schulbildung erhalten, ob sie in Frieden leben können, ob ihre Verwandten in Sicherheit sind.
Der Engel sagt: Habt keine Angst! Er sagt, dass Christus für uns geboren wurde. Das ist ein Trost. Die Adventszeit bringt Frieden, Freude und Hoffnung ins tägliche Leben.
Mary Kategile ist Dozentin und Pfarrerin in der Moravian Church in Mbeya, Tansania, die eng mit Mission 21 verbunden ist.
(Foto: Miriam Glass/Mission 21)