Andreas Nufer (60) steht unter den hohen Chorbögen der Klosterkirche in Kappel, die vor rund 750 Jahren gebaut wurde. Dann geht er eine Treppe hoch, kramt einen Schlüsselbund hervor und öffnet die Tür, die er erst kürzlich entdeckt hat. Sie führt in drei Meditationsräume. «Da könnten auf Matten doch Schulklassen übernachten», sagt Nufer.
Das Bildungshaus der Landeskirche des Kantons Zürich soll Gruppen erreichen, die bisher kaum Zugang dazu haben. Nufer geht mit offenen Augen und einem Lächeln der Begeisterung durch seine neue Wirkungsstätte, will aufbauen auf dem, was da ist, Neues ausprobieren.
«Eine Idee funktioniert aber nur, wenn nicht nur ich sie gut finde.» Deshalb ist ihm knapp zwei Wochen nach Stellenantritt wenig zu entlocken, was er konkret ändern will. Spürbar sind jedoch seine Neugier und eine Aufbruchstimmung. Und das ist ja schon ziemlich viel.
Kirche mitten in der Stadt
Nach 13 Jahren hat der Pfarrer die Heiliggeistkirche in Bern verlassen, um in Kappel die theologische Leitung zu übernehmen. Am Berner Bahnhofplatz wollte Nufer «die Kirchenmauern durchlässig machen».
In der Christnacht brannten die Kerzen nicht nur drinnen in der Kirche, sondern auch draussen in der Stadt. Und zugleich waren die unterschiedlichsten Menschen eingeladen zur Einkehr in die Kirche. Gerne sprach Nufer Besucherinnen und Besucher spontan an, ob sie im Gottesdienst mitwirken und die Bibellesung übernehmen wollen.
Die Theologie des Architekten
Als Nufer erfuhr, dass in Kappel ausgerechnet die barocke Klostermauer wieder aufgebaut wird, war er irritiert. Bisher hatte er dafür gekämpft, dass Mauern fallen: in der von der Befreiungstheologie angetriebenen Arbeit in den Elendsvierteln von Brasilien, als Pfarrer in der ökumenischen Gemeinde Halden in St. Gallen, wo er das Solidaritätsnetz Ostschweiz gründete, in Bern, wo er sich weiterhin für eine humane Migrationspolitik einsetzte und oft in die politische Arena stieg.
Doch dann begann ihn die Idee mit der Rückkehr der Mauer zu faszinieren. Denn Mauern bieten auch Schutz. «Manchmal braucht es Architekten, um eine theologische Botschaft auf den Punkt zu bringen.» Nun will Nufer ausloten, wie er möglichst vielen Menschen den Rückzug hinter die Klostermauern ermöglichen und wie er die Mauern in den Köpfen abbauen kann.
Vom Angriff zur Seelsorge
So hat er es immer gemacht: «Schauen, was da ist, fragen, was die Leute wollen.» Mit Beliebigkeit hat das gar nichts zu tun. Vielmehr will Nufer Projekte im Kollektiv entwickeln, eine Sprache finden, die verstanden wird. «In der Kirche muss es um existenzielle Fragen der Menschen und das Zusammenleben gehen.»