Eine Einheitskirche wünscht er sich nicht

Kirche

Während 20 Jahren war der reformierte Pfarrer Christoph Knoch im Kanton Bern ein führender Kopf in der Ökumene. Nun tritt er als Präsident des ökumenischen Netzwerks AKB zurück.

Was, wenn die russisch-orthodoxe Kirche, eingemietet in der ehemaligen Spitalkapelle des Stadtberner Antonierhauses, im Lauf der Jahrzehnte von 30 auf 100 Mitglieder gewachsen ist und nun eine neue Bleibe braucht? Was, wenn sich ein Konflikt in einer fernen Erdregion auch in einer christlichen Diasporagemeinde im Kanton Bern bemerkbar macht? Was, wenn Kirchen unterschiedlicher Konfession das Bedürfnis verspüren, gemeinsam Ostern zu feiern und sich über eine geeignete Form Gedanken machen?

Dann ist die AKB gefragt, die Arbeitsgemeinschaft der Kirchen im Kanton Bern. Dieses Netzwerk hat sich seit 1969 der Ökumene verschrieben, also dem Zusammenleben und der Zusammenarbeit christlicher Kirchen unterschiedlichen Bekenntnisses.

In der Familien-DNA

Während 20 Jahren hatte der reformierte Pfarrer Christoph Knoch – mittlerweile pensioniert – das Präsidium inne. Nun demissioniert er Ende Jahr und legt sein Amt in die Hände von Renate Dienst, Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Bern. «20 Jahre sind eine lange Zeit, die Institution braucht jetzt neue Impulse», sagt der scheidende Vorsitzende.

Christoph Knoch ist Ökumeniker mit Leib und Seele, das wird schnell klar, wenn er sich zum Thema äussert. Schon sein Vater feierte als Pfarrer in Deutschland ökumenische Gottesdienste, das Überkonfessionelle gehört also quasi zur theologischen Familien-DNA. In die Tiefe der Materie drang er später als Student im katholischen Kloster der Dormitio in Jerusalem vor und an der Universität Bern, als er Vorlesungen bei Lukas Vischer hörte, einem weltweit tätigen und breit vernetzten Schweizer Pionier der ökumenischen Bewegung.

Die «Schlüsselfragen»

Zu seinem Wirken als AKB-Präsident nennt Christoph Knoch drei Bereiche, die ihm besonders am Herzen liegen. Erstens ruft er die sogenannten «Schlüsselfragen» in Erinnerung, ein 30-seitiges Dokument, das Empfehlungen für die Nutzung kirchlicher Gebäude enthält. Dies als Hilfe für all die Kirchgemeindebehörden, Kommissionen oder die Pfarrerschaft, die laufend über Nutzungsgesuche zu entscheiden haben, vom Yogakurs im Kirchgemeindehaus bis zur Offiziersbrevetierung in der Kirche.

Die gemeinsamen Osterfeiern sind mir ans Herz gewachsen.
Christoph Knoch

Welche Gesuche bewilligt man, welche nicht? «Es geht hier um ‹Schlüsselfragen›; denn Abgewiesene fühlen sich buchstäblich ausgeschlossen aus der Kirche. Solche Erfahrungen können nachhaltig die Einstellung zur Kirche trüben», heisst es im Vorwort des 2003 entstandenen und 2025 aktualisierten Dokuments. Gerade in den reformierten Kirchgemeinden seien die «Schlüsselfragen» etwas aus dem Blick geraten, sagt Knoch, der die Gelegenheit gerne ergreift, dieses rechtlich zwar nicht bindende, aber im Kirchenalltag dienliche Instrument in Erinnerung zu rufen.

Gemeinsam Ostern feiern

Zweitens kommt Christoph Knoch auf die Tradition der ökumenischen Ostervespern in Bern zu sprechen. Im Jahr 2010 von reformierten und christkatholischen Pfarrern in der AKB angeregt  und 2011 erstmals gemeinsam mit weiteren Konfessionen mit einem grossen Echo in der Kirche St. Peter und Paul gefeiert.

Ökumenisch gefeiert wird an Ostern dann, wenn der westliche und der östliche Ostertermin zusammenfallen, was wegen der unterschiedlichen Kirchenkalender nur sporadisch der Fall ist. Dieses Jahr hat eine solche Feier stattgefunden, und bereits 2028 fällt der Ostertermin aller Konfessionen wieder auf denselben Tag, nämlich auf den 16. April. «Diese gemeinsamen Feiern sind mir ans Herz gewachsen», sagt Mitinitiant Knoch.

Und drittens denkt er gerne an den Weg der Neuapostolischen Kirche zur AKB-Mitgliedschaft zurück. Eine Kirche, die sich theologisch öffnete, den Fragen der heutigen Zeit stellte, aus dem alten «Sektengroove» ausbrach und den Willen bekundete, zu anderen Kirchen den Kontakt zu pflegen, gegenseitig die Taufe anzuerkennen und miteinander an der Ökumene weiterzuweben. «Das war für mich ein eindrücklicher Prozess», sagt Knoch. Seit August 2024 ist die Neuapostolische Kirche Vollmitglied der AKB, zuvor war sie während vieler Jahre im Gaststatus bei den Sitzungen dabei.

Voneinander lernen

Der scheidende AKB-Präsident hofft, dass der ökumenische Gedanke nicht nur als Idee lebendig bleibt, sondern weiterhin Wirkung entfaltet, im Gottesdienst und im Abendmahl. «Offiziell ist die Gastfreundschaft bei Brot und Wein nicht möglich, Rom hält dagegen.» Und doch sei es vielerorts bereits selbstverständliche Praxis. «In dieser Frage ist ein nächster Schritt überfällig.»

Gerade wegen der Verschiedenheit der Kirchen können sie voneinander lernen.
Christoph Knoch

Bei allen ökumenischen Bestrebungen wünscht sich Christoph Knoch dennoch keine Einheitskirche, sondern ein lebendiges und gastfreundliches Miteinander der Kirchen dieser Welt mit ihren Traditionen und Besonderheiten. «Gerade wegen unserer Verschiedenheit können wir voneinander lernen», ist er überzeugt. Natürlich gelte es im Gegenzug auch immer wieder, Uneinigkeit in bestimmten Fragen auszuhalten.

Als Fazit zitiert Knoch einen Grundsatz, wie er vom Ökumenischen Rat der Kirchen in einer Studie 2013 formuliert worden ist: «Jede Kirche ist ganz Kirche, aber sie ist nicht die ganze Kirche.»

Keine Mittwoch-Feiern mehr

In der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre entstand die Tradition von ökumenischen Feiern in der Krypta der römisch-katholischen Dreifaltigkeitskirche Bern. Insbesondere ermöglichten sie gemischt konfessionellen Paaren die gemeinsame Teilnahme an Abendmahl beziehungsweise Eucharistie. Ein vielfältiges Team aus Pfarrerinnen und Pfarrern hat seither die Feiern abwechselnd gestaltet. Ende Oktober trafen sich ein letztes Mal knapp 50 Mitfeiernde in der Krypta und anschliessend zu Imbiss und Austausch im Pfarreisaal., um So findet die Tradition der ökumenischen Mittwochabendfeier in der Krypta der «Dreif» nach gut 35 Jahren jetzt ein – zumindest vorläufiges – Ende.

Inzwischen sei die Teilnahme von Menschen anderer Konfessionen an den Gottesdiensten – auch mit Abendmahl oder Eucharistie – «immer mehr zur Selbstverständlichkeit geworden», schreibt das Team in einer Mitteilung. Niemandem werde Brot und Wein verweigert, nur weil die Konfession nicht passe. Somit entfalle der zentrale Gedanke der wöchentlichen Krypta-Feiern in der «Dreif». Aber: Nach wie vor sind aus kirchenrechtlichen Gründen offizielle gemeinsame Feiern bei Brot und Becher nicht möglich, und dies bedauert das Team ausdrücklich.