Früher galt die Theologie als Mutter aller Wissenschaften. Heute führt sie an Universitäten ein Mauerblümchendasein. Warum?
Georg Pfleiderer: Die öffentliche Wahrnehmung der Theologie und der theologischen Fakultäten hängt stark vom gesellschaftlichen Image der Kirchen ab. Von dem Schwund an öffentlicher Bedeutung, den die Kirchen in den letzten Jahren erlitten haben, sind sie darum mitbetroffen. Doch tatsächlich ist die wissenschaftliche Theologie in vielen Hinsichten sehr vital und erfolgreich. So hat etwa unsere Basler Theologische Fakultät viele Drittmittel- und Nationalfondsprojekte akquirieren können, oft mehr als andere universitäre Fachbereiche. Dennoch werden wir in der Öffentlichkeit und auch innerhalb der Universität oft nicht wahrgenommen. Wie Wissenschaftler anderer Fachrichtungen mit der Theologie umgehen, scheint mir weniger von unseren wissenschaftlichen Leistungen als von deren religiöser und kirchlicher Sozialisation abhängig zu sein.
Die Kirchen klagen über Pfarrermangel und entwickeln neue Modelle der Pfarrerausbildung, zuletzt etwa den «Plan P». Was halten Sie davon?
Seit gut zwanzig Jahren ist erkennbar, dass der Pfarrerbedarf der Schweizer Kirchen durch den eigenen Nachwuchs nicht mehr gedeckt werden kann. Lange Zeit wurde das durch ausländische Pfarrpersonen, insbesondere aus Deutschland, aufgefangen; aber diese Quelle ist praktisch versiegt. Seit Jahren betreiben wir darum zusammen mit den Kirchen Werbung fürs Theologiestudium; aber der Rückgang des Pfarrernachwuchses ist ein schwer zu bekämpfender Megatrend. Die bisher bei weitem erfolgreichste Massnahme ist das Studienprogramm für akademische Quereinsteiger. Den kirchlichen «Plan P» jedoch, der vorsieht, über 55-jährige Akademikerinnen und Akademiker ohne theologische Ausbildung ins Pfarramt zuzulassen, halten wir hingegen für hochproblematisch.
Warum das?
Der «Plan P» bietet nur eine ganz rudimentäre theologische Ausbildung. Es ist bedenklich, zu glauben, man könne den anspruchsvollen Pfarrberuf ohne spezifische Fachkenntnisse ausüben, wie sie ein mehrjähriges universitäres Theologiestudium und ein anschliessendes kirchliches Vikariat vermitteln. Die Kirchen sollten stattdessen alles dafür tun, um die Bedingungen des Pfarrberufs zu verbessern. Pfarrerinnen und Pfarrer sollten sich auf ihre spezifischen Fähigkeiten und Aufgaben konzentrieren können und so als Anleitende und Supervisoren für theologisch weniger qualifizierte Mitarbeitende wirken. Die Zulassung kaum ausgebildeter Personen würde ausserdem die aktuelle Pfarrerschaft und die Studierenden demotivieren.