«Sexualität ist ein Geschenk von Gott»

Bisher machte die Kirche um das Thema Sexualität einen grossen Bogen. Nun laden Sie zu einer Veranstaltung ein mit dem Titel
«Sexualität ist ein Geschenk!». Woher die neue Offenheit? 

Sexualität ist ein Geschenk von Gott, sie ist für den Menschen essenziell. Die Kirche redet aber nicht oder selten positiv darüber. Ich weiss nicht, wann ich als Pfarrer öffentlich darüber gesprochen hätte. 

Warum sollten Sie? 

Am letzten TheoTalk zum sexuellen Missbrauch in der katholischen und der reformierten Kirche wurde deutlich, dass wir als Kirche dringend die Sprachfähigkeit zu Sexualität stärken müssen. Einerseits ist Sex sehr präsent, in der Werbung, in Pornografie. Aber offen darüber reden kann fast niemand, und viele sind damit sehr allein. Wenn wir die Ängste mindern können, über die eigenen Bedürfnisse zu reden, passt das bestens in die Seelsorge.

Was wäre ein konkreter kirchlicher Anknüpfungspunkt? 

Ich möchte den Gedanken von Paulus, 1. Korinther 3,16, ins Zentrum rücken: «Wisst ihr nicht, dass ihr der Tempel Gottes seid und dass Gottes Geist in euch wohnt?» Wir sollten uns also nicht ausbeuten, sondern unseren Körper wertschätzen. Leider tragen die Kirchen aber Mitschuld an der negativen Sicht auf körperliche Intimität. Seit Augustinus spricht sie von der Ursünde, verbannt Sex in die Ehe. Aber für eine solche Botschaft kam Jesus nicht auf die Welt. 

Der TheoTalk bezieht jeweils das Publikum mit ein. Werden die Leute mitreden, wenn es ja eben an Sprachfähigkeit mangelt? 

Wir haben extra ein anderes Format als bis anhin gewählt. Der Sexologe Martin Bachmann und die Sexualpädagogin Katja Hochstrasser werden miteinander über Erfahrungen aus ihrem Berufsalltag reden. Man kann stressfrei zuhören. Gegen Ende gibt es wie immer Raum für Fragen oder Kommentare, und ich bin sicher, dass es dann doch Leute gibt, die etwas dazu sagen möchten. Spätestens danach beim Apéro im Zweiergespräch. 

Die Kirchgemeine Baden plus lancierte den TheoTalk, eine Kom-bination aus Gottesdienst und Podiumsgespräch, letzten Herbst. Wie kommt er an? 

Sehr gut! Wir greifen Themen auf, die viele Menschen bewegen, der TheoTalk ist gut besucht. Unser Jahresmotto 2024 ist «Kei Angscht». Wir möchten dazu motivieren, sich nicht von der Angst lähmen zu lassen, sondern zu sagen, was einem guttut. Man soll inspiriert aus unseren Veranstaltungen hinausgehen. Auch Sexualität kann man nämlich gestalten und verändern.