Glaube 01. September 2024, von Delf Bucher

Kirchen suchen neue Finanzierungskanäle

Finanzen

Auf die schwindenden Steuereinnahmen reagieren manche Kirchgemeinden mit Fundraising. So zum Beispiel Rued, Gontenschwil-Zetzwil und Oftringen.  

Die Mitgliederzahlen schrumpfen und so auch die Steuern: Die Aargauer Kirchgemeinden müssen sparen. Der Trend triff die Kirchgemeinde Rued besonders hart, wie Pfarrerin Nadine Hassler Bütschi sagt: «Wir sind eine kleine ländliche Gemeinde und nicht gesegnet mit potenten Steuerzahlern.» Auf der Website steht: «Damit die Finanzen unserer Kirchgemeinde nicht in eine gefährliche Schieflage geraten, hat die Kirchenpflege beschlossen, das Förderkonto ‹Lebendige Kirche Rued› einzurichten.» Laut Hassler soll dieses Geld manche Extras ermöglichen, welche die Kirchgemeinde mit besonderem Leben füllen, zum Beispiel die Seniorenausflüge, die Kinderwoche und Konzerte.

Fundraising wird unabdingbar

Auch Gontenschwil-Zetzwil richtete vor sieben Jahren ein Förderkonto ein, um Anlässe zu finanzieren, die das Gemeindeleben mit besonderen Farbtupfern versehen: einem Apéro, etwa einer speziellen Musik im Gottesdienst oder einem Konfirmandenlager. 

Ursprünglich wollte man höher hinaus und sogar eine ganze Stelle für einen theologischen Mitarbeiter finanzieren. «Das funktionierte allerdings nicht», sagt Pfarrer Heinz Brauchart. In Zukunft, davon ist er überzeugt, werde Fundraising das grosse Thema in der Kirche. «Wir müssen dies in der Manier der Freikirchen angehen.» 

Wir müssen dies in der Manier der Freikirchen angehen.
Heinz Brauchart, Pfarrer Gotenschwil-Zetzwil

Zu den Fundraising-Pionieren im Aargau zählt die Kirchgemeinde Oftringen. Diese gründete vor mehr als 30 Jahren den Verein Kirchliche Gemeindearbeit Oftringen (VKGO). 1993 machte sich dieser daran, eine zusätzliche Stelle für Jugendarbeit zu finanzieren. Dank stets wachsendem Spendenvolumen kamen danach weitere Teilzeitanstellungen hinzu, ebenso für die Kinder- und Jugendarbeit oder auch für das soziale Projekt «Spiis & Gwand». Heute beträgt das Spendenbudget rund 200 000 Franken jährlich. 

Lange stellte der VKGO die Mitarbeitenden ein und führte die Lohnliste. Allerdings führten unterschiedliche Arbeitsverträge mit teilweise ungleichen Salären zu einer «ungesunden Situation, einem Zwei-Klassen-Anstellungsverhältnis», wie der Vereinspräsident Andreas Bieri erläutert. Deshalb setzte er sich erfolgreich dafür ein, dass der VKGO fortan nur noch als Geldbeschaffer für die Kirchgemeinde auftritt. 

Eigene Projekte nicht konkurrenzieren

Warum aber richtet die Kirchgemeinde direkt ein Förderkonto ein? «Wir sind überzeugt, dass die Vereinsmitgliedschaft eine besondere Verbundenheit schafft», sagt Bieri. «So können auch Menschen ausserhalb der Wohngemeinde, die sich mit der Kirche Oftringen verbunden fühlen, ihrer Zugehörigkeit Ausdruck verleihen.» 

Er warnt allerdings vor Wachstum um jeden Preis: «Die Einnahmen der Kirchensteuern sinken stetig. In der Kirchgemeinde wird unter anderem für ein privat organisiertes Sozialprojekt in Uganda gesammelt, das wollen wir nicht konkurrenzieren.» Einen Sponsorenlauf für den Förderverein werde es, so Bieri, nicht geben. 

Neue Wege zu einem Zusatzobolus erprobt derzeit auch die Reformierte Kirche Suhr-Hunzenschwil. Für Pfarrerin Nica Spreng ist dafür eines in jedem Fall notwendig: «Es braucht ein klar umschriebenes Projekt, um Menschen zum Spenden zu bewegen.» 

Wir sollten nicht erwarten, dass die Menschen zu uns kommen, sondern zu ihnen hingehen.
Nica Spreng, Pfarrerin Suhr-Hunzenschwil

Ihre Kirchgemeinde Suhr-Hunzenschwil will auf Neuland vorstossen oder, wie es Spreng mit einer Metapher umschreibt: «Wer das Blühen erleben will, darf und muss zuerst den Boden bereiten.» 

Deshalb hat sich eine Gruppe von Freiwilligen aufgemacht, soziologische Feldforschung zu betreiben. Sie wollen mit einer Sozialraumanalyse Bedürfnisse und Wünsche der Bevölkerung ausloten, Gespräche mit Vereinen und Institutionen führen, um so neue Arten des «Kirchenseins» entwickeln zu können. «Wir sollten nicht erwarten, dass die Menschen zu uns kommen, sondern zu ihnen hingehen», sagt Spreng. 

Sozialraumanalyse als Grundlage

Der angestossene Prozess soll zu einer kleinen Teilzeitstelle führen, welche die aus der Analyse entstehenden Projektideen zum Fliegen bringt. Was Nica Spreng besonders freut: Bereits ist einiges Geld auf das Förderkonto eingegangen. Die Sozialraumanalyse wird auch vom Innovationsfond der Aargauer Landeskirche unterstützt, denn sie soll auch für andere Kirchgemeinden aufbereitet werden können, um eine Grundlage für die Schaffung neuer Angebote zu haben.