Das erste Pilgerforum: Ein Stelldichein der Pilgerszene

Pilgern

Erfahrungsberichte, Referate, Dokumentarfilme – das erste Schweizer Pilgerforum in Fribourg entpuppte sich als gut besuchte, unterhaltsame Infobörse rund um religiöse Wegenetze.

Wer etwas für den Körper tun will, wandert, wer pilgert, pflegt die Seele. Und Pilgern boomt seit Jahren. Die Ziele sind zahlreich: Compostela, Assisi, Jerusalem. In der Türkei kann man auf den Spuren des Apostels Paulus wandeln, in Norwegen der Historie des heiliggesprochenen Wikingerkönigs Olav nachgehen. Und der Besucheransturm auf dem Frankenweg, der Via Francigena, die von Canterbury nach Rom führt, bricht im Heiligen Jahr 2025 gerade alle Rekorde. 

Auch das Wegenetz in der Schweiz vergrössert sich laufend: Neben den inzwischen sehr gut ausgebauten Jakobswegen, die quer durch die Schweiz führen, laden u.a. auch der Kolumbanweg, die Via Francisca oder die Via Cluny oder der Hugenottenweg dazu ein, aufzubrechen. Auch die Via Francigena führt ein malerisches Stück durch die Westschweiz. Längst hat der Europarat die meisten dieser Wege als bedeutende europäisches Kulturerbe anerkannt.

Ein Heer von engagierten Freiwilligen

Das Netz der Wege, die religiösen Spuren folgen, wird von verschiedenen Vereinen und einem Heer von Freiwilligen entwickelt, betreut und unterhalten. Einige Vereine betreiben auch Pilgerherbergen, etwa in St. Gallen, Rapperswil oder Brienzwiler. Am ersten Pilgerforum in Freiburg gaben nun rund 20 der verschiedenen Interessengruppen einen Überblick über ihre Aktivitäten. 

Die Idee, dieses Netzwerk der Wegenetze und deren Akteure besser untereinander zu vernetzen, entstand im grössten der Schweizer Pilger-Vereine: den «Freunden des Jakobsweges». Den «Amis du Chemin de Saint-Jacques» sind 2000 Mitglieder in der Romandie und in der Deutschschweiz angeschlossen, der Verein existiert bereits seit 1988. 

Netzwerke vernetzen sich

«Für uns, die Freunde des Jakobsweges, schien es wichtig, eine Verbindung zwischen all diesen Wegen und zwischen den Menschen, die sie begehen, zu schaffen», schrieb Olivier Cajeux von den «Amis» in der Einladung an alle Interessierten. So sei die Idee entstanden, ein Schweizer Forum der Wege zu organisieren. «Am Ende engagieren wir uns ja alle für das Gleiche», sagt Cajeux im persönlichen Gespräch. Alle angefragten Institutionen hätten denn auch auf Anhieb zugesagt. 

Und so fand am Samstag, den 15. März, in den Gewölben des Franziskanerklosters in Freiburg eine eigentliche Infomesse rund ums Pilgern statt: Mit rund 20 Ständen von Vereinen, Büchertischen, Übersichtskarten, Erfahrungsberichten von Einzelpersonen & Co. Die mehreren Hundert angereisten Interessierten sorgten bald für ein emsiges Treiben und viele angeregte Gespräche in den Klosterkellern. 

Impulsreferat eines Gehdenkers

Spannend gestaltete sich auch das Rahmenprogramm im alten Weinkeller des Klosters: Joseph Deiss, Alt-Bundespräsident und heute Fernwanderer auf Pilgerwegen, hielt ein launiges Eröffnungsreferat: Witzig berichtete er von seiner Leidenschaft für das Unterwegssein zu Fuss. «Dies ist ein wunderbarer Tag für alle, die bereit sind, Blasen einzufangen.»

Deiss nennt sich selber lieber Weitwanderer als Pilger, «um nicht als Weihwasserfrosch (grenouille de bénitier) zu gelten». «Ich bin katholisch, aber das ist mein Problem», sagt er verschmitzt. Seine langen Fussreisen nutzt Deiss zum Gedankengang, er reflektiert gern über Land und Leute am Wegesrand, insbesondere geografische und historische Besonderheiten haben es ihm angetan. «Gehen und Denken sind dasselbe», zitiert er gern den Walliser Schriftsteller Maurice Chappaz.  

Pilgersegen zum Saisonbeginn

Und Deiss gibt seine Erlebnisse und Erörterungen auch in Buchform wieder, 2022 etwa brachte der ehemalige Bundesrat aus Freiburg seine «Begegnungen entlang der Via Francigena» zwischen Buchdeckeln heraus. Auf Deiss' Auftakt folgten weitere Erfahrungsberichte von verschiedenen Pilgerrouten: dem Paulusweg in der Türkei, dem St. Michaelsweg zwischen Italien und Frankreich oder der Via Francigena zwischen Lausanne und Rom. 

Nebenan in der Franziskanerkirche konnten Pilgerinnen und Pilger, die das wünschten, einen individuellen Pilgersegen für die kommende Pilgersaison empfangen. Möglich machten dies zwei Vertreter aus St. Gallen: In feierlichem Rahmen gingen die Pilgerseelsorgerin Ines Schaberger und ein Mitglied des Vorstands der St. Galler Pilgerherberge, Thomas Schubiger, in ihren Segenssprüchen auf die persönlichen Anliegen der Pilgerinnen und Pilger ein. Zum Mittagessen wurden die Besucherinnen und Besucher draussen in beheizten Zelten mit Pilgersuppe und spanischem Mandelkuchen verköstigt. 

Workshops und Erfahrungsberichte im Weinkeller

Am Nachmittag stellte die Zürcher Pilgerpfarrerin Franziska Bark Hagen in ihrer Präsentation das Angebot des Pilgerzentrums vor und ging auf zwei ihrer Innovationen im Programm näher ein, die ihr besonders am Herzen liegen: Pilgern für Frauen mit Krebsdiagnose unter dem Titel «Unterwegs mit Dir» und «Über die Grüne Grenze»; fünf Touren nehmen sich den Fluchtgeschichten von Menschen an, die zwischen 1938 und 1945 in die Schweiz geflohen waren.

Sehr interessant war auch das Zeugnis von Barbara Bieri, die an der als unheilbar geltenden Schlafkrankheit Narkolepsie litt, trotz Skepsis und Unkenrufen nach Santiago aufbrach und heute gesund ist und als Pilgerbegleiterin arbeitet. Gezeigt wurden zudem zwei spannende Dokumentarfilme: «Un parfum de liberté» von Félicien Guillaume erzählt die rührende Geschichte von Claude, der seinen Freund Paul nach einer Herztransplantation nach Santiago geleitet.

Der schönste aller Jakobswege: Die Via Jacobi durch die Schweiz 

Zu guter Letzt führte Olivier Cajeux, Initiant und Organisator des Forums in Fribourg, dem Publikum seinen frisch fertig geschnittenen Film «Via Jacobi 23, der grosse Marsch» vor. Die einstündige Doku zeigt, wie die Freunde des Jakobswegs 2023 eine gross angelegte Pilgerreise vom Bodensee bis nach Genf durchführten; «als Hommage an den schönsten aller Zubringerwege nach Santiago, den durch die Schweiz und als Dankeschön an all die Wegabschnittsbetreuer, die die Via Jacobi in Schuss halten.» Rund 1000 Personen pilgerten in 21 Tagen auf der rund 450 Kilometer langen Strecke mit. So viele glückliche und fröhliche Gesichter sah man selten in einem Dokumentarfilm, entsprechend herzlich war der Applaus des Publikums zum Schluss.

Gemeinsame Sache machen: Die beiden grossen Jakobsweg-Vereine wollen sich zusammenschliessen und mit geeinten Kräften auftreten

Gemeinsame Sache machen: Die beiden grossen Jakobsweg-Vereine wollen sich zusammenschliessen und mit geeinten Kräften auftreten

Die Generalversammlung der Freunde des Jakobswegs sollte in diesem Jahr in Freiburg stattfinden, und Olivier Cajeux vom Freiburger-Pilgerstamm wurde angefragt, die GV in Freiburg zu organisieren. Der ehemalige RTS-Journalist wollte aber viel lieber gleich eine richtige Pilger-Messe veranstalten. Nicht nur, um alle Kreise einzuladen, die sich fürs Pilgern engagierten, sondern auch um der interessierten Öffentlichkeit einiges an Information und Unterhaltung zu bieten (siehe Interview).

Das zweisprachige Freiburg mit seinen Brücken erschien den Organisatoren als idealer Austragungsort dafür. Denn: Mit eine Absicht des ersten Schweizer Pilgerforums war es auch, den Röstigraben besser zu überbrücken. Es gibt nämlich noch einen zweiten grossen Verein, der sich um das Jakobswegenetz in der Schweiz kümmert: jakobsweg.ch widmet sich seit 2008 der Belebung des Pilgerns auf dem Jakobsweg. Eine Vorläuferin war seit 1997 v.a. im Berner Oberland aktiv.

Das Interesse und das Engagement der beiden Vereine gilt dem gleichen, aber die beiden Organisationen zogen bisher oft nicht am selben Strick. So sind die Informationen rund um den Schweizer Jakobsweg beispielsweise auf mehrere Webseiten verteilt. Zudem existieren drei verschiedene Listen mit den am Weg verfügbaren Unterkünften. «Das ist nicht sinnvoll», sagt Olivier Cajeux. Deshalb haben die Vorstände der beiden grossen Jakobsweg-Vereine im Grundsatz beschlossen, vermehrt gemeinsame Sache zu machen, um Synergien besser zu nutzen. 

Allerdings gilt es dabei auch zwei verschiedene Kulturen zusammenzubringen. jakobsweg.ch ist eher deutschschweizerisch und reformiert geprägt, während die Freunde des Jakobswegs historisch eher einem katholischen und französischsprachigen Umfeld entstammen. Dem Netzwerk jakobsweg.ch gehören zudem viele PilgerbegleiterInnen an, die eine vom Europäischen Jakobswege-Netz (EJW), einer internationalen NGO, anerkannte Ausbildung absolviert haben, um Pilgerinnen und Pilger in Gruppen auf ihrem Weg (organisatorisch und seelsorgerisch) zu begleiten. In der katholischen Tradition der «Amis» ist das Pilgern hingegen eher ein Unterfangen, das man allein in Angriff nimmt. 

Nichtsdestotrotz: Die Amis du Chemin de Saint-Jacques haben an ihrer GV am 15. März 2025 einstimmig beschlossen, den Prozess, der zu einer Fusion beider Vereine führen soll, in Angriff zu nehmen. Der entsprechende Beschluss vonseiten jakobsweg.ch ist für deren GV am 5. April 2025 traktandiert. Eine Beobachterin fasst den Grundtenor so zusammen: «Die beiden Vereine haben sich verliebt, jetzt wird die Verlobung beschlossen, und in einem Jahr sollen dann die Pläne für die Heirat vorliegen.»

Der Verein Jakobsweg.ch: www.jakobsweg.ch

Die Freunde des Jakobswegs: www.viajacobi4.ch

Das von der reformierten Kirche finanzierte Zürcher Pilgerzentrum: pilgerzentrum-zuerich.ch