Gesellschaft 28. Juni 2024, von Tilmann Zuber/kirchenbote.ch

Pilgern für die Religionsfreiheit

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Die feministische Muslimin Seyran Ateş, der Basler Kirchenratspräsident Lukas Kundert und die Kirchenrätin Anita Vögtlin setzen ein Zeichen für Religionsfreiheit: Sie pilgern.

Seyran Ateş gehört zu den prominentesten Kritikerinnen des politischen und fundamentalistischen Islam in Deutschland. Seit Jahren warnt sie vor einer muslimischen Parallelgesellschaft in Europa, die die Werte des Grundgesetzes und die Freiheiten der Demokratie missachtet. 

Bekannt wurde sie als Juristin und Menschenrechtsaktivistin, die einen Mordanschlag überlebte, und später als Imamin, die eine liberale Moschee in Berlin gründete. Seitdem steht die 61-Jährige unter ständigem Personenschutz.

Eine bunte Gemeinschaft

Zusammen mit Lukas Kundert, Kirchenratspräsident der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt, der Kirchenrätin Anita Vögtlin und Pfarrer Johannes Weimann will sie in der Schweiz ein Zeichen für Religionsfreiheit und Frieden setzen. Sie pilgern im September auf dem Jakobsweg von Basel nach Genf und hoffen, dass sich ihnen weitere Menschen anschliessen.

Die Route führt von der Stadt am Rhein über Welschenrohr, Solothurn, Bern, Fribourg, Lausanne bis nach Genf. Dabei besuchen Ateş, Kundert und Vögtlin unter anderem Bischof Felix Gmür in Solothurn, das Haus der Religionen in Bern oder den Ökumenischen Rat der Kirchen in Bossey bei Genf.

Glaubensfreiheit ist wichtig, auch und gerade für liberale Muslime.
Lukas Kundert, Kirchenratspräsident Evangelisch-reformierte Kirche Basel-Stadt

Lukas Kundert versteht die Reise als Zeichen für all die Muslime, die liberal seien, aber nicht dazu stehen könnten, weil sie sonst in Gefahr sind. Neben dem Euro-Islam gebe es den türkischen und den arabischen Islam, der sich stark ausbreitet. Darunter, so Lukas Kundert, gebe es offenkundig Gruppierungen, die sich antiliberal verhielten und gegen die Werte einer demokratischen Gesellschaft stünden.

«Leider ist es dem Euro-Islam nicht gelungen, sich so zu organisieren, dass er in der Schweiz wahrgenommen wird», sagt Kundert. «Glaubensfreiheit ist wichtig, auch und gerade für liberale Muslime. Indem wir zusammen pilgern, kommen wir uns Schritt für Schritt näher. Frieden und Freiheit können wir nur gemeinsam erreichen.» Anita Vögtlin erhofft sich von der Pilgerreise, dass liberale Muslime stärker wahrgenommen werden und der Islam nicht nur mit der Hamas oder dem Islamischem Staat gleichgesetzt wird.

Offenheit und Spiritualität

Die Pilgerreise nach Genf ist nicht die erste Unternehmung von Seyran Ateş. 2015 verfolgte sie auf Facebook, wie ein Freund nach Santiago de Compostela pilgerte. Die Reise hat sie fasziniert. Pilgern gehöre zu den fünf Säulen des Glaubens im Islam, sagt Seyran Ateş. 

Vor vier Jahren pilgerte sie selber durch Frankreich. Sie erkannte, dass Pilgern interkulturell und interreligiös ist. Sie erlebte Offenheit, Spiritualität, Natur und die Begegnung mit spannenden Persönlichkeiten auf der Suche nach sich selbst und dem Frieden.

Pilgern für die Religionsfreiheit

Pilgern für die Religionsfreiheit

Interessiert, mitzupilgern? Informationen und Anmeldung bei Anita Vögtlin, Evangelisch-reformierte Kirche Basel-Stadt:

Etappenziele der Pilgerroute von Basel bis Fribourg:

- Sonntag, 1. September: Basel–Aesch, 14 km, 3,5 Std.
- Montag, 2. September: Aesch–Beinwil, 20 km, 6 Std.
- Dienstag, 3. September: Beinwil–Welschenrohr, 17 km, 6 Std.
- Mittwoch, 4. September: Welschenrohr–Solothurn, 18 km, 5 Std.
- Donnerstag, 5. September: Solothurn–Moosseedorf, 17.5 km, 6,5 Std.
- Freitag, 6. September: Moosseedorf–Bern, 13 km, 3,5 Std.
- Samstag, 7. September: Bern–Rüeggisberg, 22,5 km, 6,5 Std.
- Sonntag, 8. September: Rüeggisberg–Schwarzenburg, 10 km, 5,5 Std.
- Montag, 9. September: Schwarzenburg–Fribourg, 20,5 km, 5,5 Std.

Im vergangenen Jahr machte Ateş daraus ein Projekt und wanderte in Norwegen auf dem St.-Olavs-Weg für die Menschenrechte. Auch damals schlossen sich einige spontan der Pilgerschar an. Bei einer Pilgerfahrt nach Mekka, dem Hadsch, würde sie sich nicht wohl fühlen, sagt Ateş. Frauen müssten dort ein Kopftuch tragen, und Andersgläubige seien nicht erwünscht.

Falsche Toleranz

Gerade in der Kopftuchfrage wirft Ateş dem Westen falsch verstandene Toleranz vor. Hier gehe es nicht um Religion, sondern um eine politische Haltung, die nicht hinterfragt werde, so Ateş. «Die Feministinnen im Iran zeigen der ganzen Welt, wie schlimm es ist, nur mit Kopftuch auf die Strasse gehen zu können.» 

Seyran Ateş träumt von einem Islam, in dem man nicht in Gefahr gerät, wenn man sich für die Gleichberechtigung von Mann und Frau einsetzt, gemeinsam betet und in dem weltliche und religiöse Macht getrennt sind. Dafür will sie mit anderen nach Genf pilgern.