Wenn Mennoniten-Chöre das Grossmünster zum Vibrieren bringen

Täufer

Beim Gottesdienst zum Täuferjubiläum bekundeten Mennoniten sowie die Zürcher Bevölkerung ihr grosses Interesse. Mehr als 4000 Menschen haben live oder online teilgenommen. 

Noch hat die Orgel das Lied «Grosser Gott wir loben dich» nicht angestimmt, da stürmt ein Helfer in den Chor des Grossmünsters und ruft freudig aus: «Alle, wirklich alle Kirchen sind voll bis auf den letzten Platz.» Mehr als 4000 Menschen seien es, die im Grossmünster live oder in der Predigerkirche, der FEG-Kirche sowie der Friedenskirche auf der Leinwand dem Festgottesdienst zum Gedenken an die Täufer folgen würden.

Es hat sich bereits morgens angebahnt. Hunderte von Menschen, die an Jacken und Hemden mit grünen Aufklebern mit der Aufschrift „500 – Mut zur Liebe“ angeheftet hatten, strömten vom Hauptbahnhof in die Altstadt. Erste Station: die Schipfe, dort wo  Felix Mantz, der einstige Zwingli-Freund und intellektuelle Anführer der Täufer, nach dem damaligen Ratsurteil 1527 «im Wasser sterben und verderben» sollte. Menschen aus Kanada, aus den USA stehen da, aber auch Mennoniten aus Guatemala und Kenia. Alle haben schon in ihrer Kindheit den Namen Felix Mantz vernommen, der als «erster Märtyrer» der Täufer einen prominenten Platz im kollektiven Gedächtnis der Mennoniten einnimmt.

Mennoniten-Kontinent Afrika

Am Mittag hat sich der Auflauf der internationalen Mennonitenschar Richtung Grossmünster verschoben. Hier treten auf der Bühne Chöre aus den USA, aus Indonesien, Paraguay und Kenia auf. Stichwort Afrika: Dort verzeichnen die Mennoniten ihr grösstes Wachstum, und die äthiopischen Mennoniten zählen mit 370.000 Mitgliedern mehr Gläubige als Nordamerika. Die starke Präsenz der Chöre aus dem globalen Süden zeigt, wie Glaubensverfolgung und Mission heute bei den Mennoniten ein weltweites Glaubensnetzwerk mit 2,3 Millionen Menschen wachsen liess.

Am späten Nachmittag nehmen die Chöre im Grossmünster ihre Plätze ein, da wo früher die Chorherren sassen. Beim Festgottesdienst oder doch besser Gedenkgottesdienst, wie es der Co-Präsident der Konferenz der Mennoniten der Schweiz (KMS), Lukas Amstutz, vorschlägt, gelingt es den jungen, kräftigen Stimmen der internationalen Chöre, selbst das stark von Grauschöpfen durchsetzte Publikum in den Kirchenbänken zum Wippen  zu bringen.

«Schmerzliche Transformation»

Bei der Begrüssung sprach der Grossmünsterpfarrer Markus Rüsch davon, dass die Reformation nicht nur befreiend wirkte, sondern von einer «schmerzlichen Transformation» begleitet war.  «Es ist aus heutiger Sicht nicht verständlich, warum sich in der gemeinsamen Orientierung am Evangelium im 16. Jahrhundert eine so schmerzhafte Trennung ergeben hat», sagte Rüsch.  Lukas Amstutz und Gladys Geiser vom Co-Präsidium der KMS betonten indes die gute ökumenische Zusammenarbeit, die sich in den letzten Jahrzehnten zwischen Mennoniten und Reformierten eingespielt hat.

Danach übernahmen die internationalen Amtsträger die Leitung des Gottesdienstes – Vertreter des Mennonitische Weltkongresses (MWK), der Weltgemeinschaft der reformierter Kirchen (WGRK), des Lutherischen Weltbundes (LWB) und als Überraschungsgast der vatikanische Ökumene-Kardinal Kurt Koch. Ihre Wortbeiträge waren durchzogen von den immer wiederkehrenden Stichworten der schmerzlichen Kirchenspaltung, der Versöhnung und der Heilung. Symbolisch eindrucksvoll die Fusswaschung, die César Garcia als Generalsekretär des MDK und Setri Nyomi als Generalsekretär des WGRK zelebrierten. 

Mutig ist die Liebe

César Garcia liess es sich bei seiner Predigt nicht nehmen, kritisch das beliebte Zwingli-Wort «Tut um Gottes Willen etwas Tapferes» unter die Lupe zu nehmen. Er erinnerte daran, dass diese Worte von Zwingli 1529 aufgeschrieben wurden, als die konfessionellen Spannungen in der Eidgenossenschaft eskalierten. Mit dieser Losung wollte der Zürcher Reformator den städtischen Rat zu einem Glaubenskrieg gegen die Innerschweiz ermuntern.  «Was bedeutet es heute, mit Gottes Willen etwas Tapferes zu tun?», fragte sich Garcia und strich unmissverständlich die mennonitische Friedenstheologie heraus: «Mut zum Frieden und zur Liebe ist nicht idealistisch oder naiv.» 

Unter dem Motto «Mut zur Liebe» stand auch der Zürcher Täufertag, der mit der südafrikanischen Anti-Apartheid-Hymne «Siyahamab» endete. Der jubilierende Gesang brachte nochmals die Gemeinde zum Mitsingen und Vibrieren. Der Schlusspunkt war so ein Exempel, wie die mennonitische Sangesfreude auch auf alle anderen Christen überspringen kann.

Der in Englisch zelebrierte Gottesdienst auf YouTube: