Der Kräutertee dampft in der gläsernen Kanne, bunte Herbstblumen stehen auf dem Holztisch. Der umgebaute Stall, in dem Rebecca Doll in Flims wohnt, strahlt viel Behaglichkeit aus. Die junge Frau versteht es gut, eine wohlig warme Atmosphäre zu schaffen.
Als Fotografin gehe es ihr darum, echte Gefühle einzufangen, meistens bei Hochzeiten. In ihrem neusten Projekt einer Fotoausstellung zum Thema Trauer, Verlust und Endlichkeit in Flims tut sie das auch und fotografiert mit ihrer Kamera Emotionen, die Menschen in einer Trauerphase haben können. Dabei nähert sich Rebecca Doll den Porträtierten zunächst im Gespräch, redet mit ihnen über Verluste, Ängste, Ohnmacht und Wut, um dann im richtigen Moment den Gefühlsausdruck mit der Kamera festzuhalten.
Auf der Suche nach Seelenbildern
Rebecca Doll, Fotografin aus Flims, widmet sich in ihrer neuen Fotoausstellung den tiefen Emotionen von Trauer und Verlust
Neue Ausbildung begonnen
Doch wie kommt die 31-Jährige zu einem Thema, das manche Menschen lieber zur Seite schieben? «Trauer ist für mich der Verlust von etwas, was im Leben emotional wichtig war», sagt sie. Bereits mit fünf Jahren hat die gebürtige Deutsche ihren Vater verloren: «Er hat sich das Leben genommen. Ich musste lernen, meine Trauer zuzulassen. Musste lernen zu verstehen, warum ich mich zu Gast bei anderen Familien wie eine Ausserirdische fühlte.»
Zentrales Thema in ihrem Leben
Flims wurde sie erneut mit dem tragischen Tod eines Lehrlings konfrontiert. «Wir standen allein da mit unserer Trauer. Das hat mir unendlich leidgetan.» Durch diese schweren Erlebnisse wurde Rebecca Doll jedoch immer klarer, dass Trauer schon lange ein zentrales Thema in ihrem Leben war. Sie wollte sich tiefer damit auseinandersetzen. Seit Beginn des Jahres nun fährt sie regelmässig nach Düsseldorf, um sich dort zur Trauerbegleiterin ausbilden zu lassen. Ihr Ziel ist, eines Tages in ihren eigenen Räumlichkeiten Menschen in ihrer Trauer zu begleiten. «Langmut» nennt sie ihr Angebot. Denn manchmal, so Doll, brauche es lange Mut, um auch über den eigenen Schatten springen zu können.
Eine Welle, die mal stärker oder schwächer aufbrandet
In dieser Ausbildung beschäftige man sich viel mit sich selbst, probiert aus. «Frau braucht einen sicheren Stand, um andere zu begleiten», sagt sie. Sie möchte Menschen aus der Sprachlosigkeit herausführen, wenn sie einen Verlust erlitten haben, sie ermutigen, mit der Trauer umzugehen. Sie wie eine Welle zu sehen, die mal stärker und mal schwächer aufbrandet. Begleitung könne dabei über praktische Schritte gehen. Zum Beispiel den Schrank des verlorenen Menschen peu à peu ausräumen oder zeichnen mit denen, die nicht reden möchten. Wobei Verlusterfahrungen so vielfältig wie das Leben sind. Der Abschied von der Mutterschaft, die verlorene Liebe oder der Verlust einer Fähigkeit durch Krankheit können schmerzen wie der Tod selbst.
Kraft tanken beim Kochen
Rebecca Doll schenkt noch etwas Tee nach, das Regal neben dem Tisch ist voll mit exotischen Gewürzen. «Ich koche gern. Das ist meine Form der Selbstfürsorge.» Auch bei Spaziergängen in der Natur schöpft sie Kraft. Ein Leben als Trauerbegleiterin ist intensiv und bereichernd. Besonders, wie Menschen durch Trauer gewachsen seien, sei immer wieder beeindruckend. Darum gehe es ihr auch in der Fotoausstellung: «Ich möchte die Wahrnehmung der Besuchenden schärfen: Dass unser Leben endlich ist, kann uns Angst machen – aber es kann uns auch spüren lassen, wie kostbar unsere Zeit ist.»
In die Kirche eingetreten
Vor fünf Jahren hat Rebecca Doll, die katholisch aufgewachsen ist, ihrer Kirche den Rücken gekehrt. Obwohl ihre Familie immer eine gute Beziehung zur Gemeinschaft und zur Kirche gehabt habe, sei in ihr vor einiger Zeit etwas zerbrochen. «Ich habe den Anschluss an die katholische Kirche verloren.» Kürzlich jedoch, erzählt sie, sei sie in die reformierte Kirche eingetreten.
Mit ihren Fähigkeiten ist Rebecca Doll bestimmt ein Gewinn für jede Gemeinschaft, da sie aus eigener Erfahrung weiss, wie wichtig es ist, das Leben im Hier und Jetzt zu leben.
Rebecca Doll, 31
Als Abschlussprojekt hat sie die Ausstellung «Port(e)rait» konzipiert.
«Porte», das für «Tür» oder «Tor» steht, zeigt, dass hinter der Trauer viel
mehr steckt als nur Traurigsein. Die Fotoausstellung über Trauer, Verlust
und Endlichkeit ist vom 16. bis zum
24. November täglich im reformier-
ten Kirchgemeindehaus in Flims zu sehen. Die Vernissage findet am
16. November, um 17 Uhr statt.