Was ist Glaube für eine, die von sich sagt, mit den Religionen habe sie es nicht so? Was ist Glaube für eine, die sich, obwohl nicht gläubig, auch nicht als ungläubig bezeichnet? Was ist Glaube für eine, die sich schwertut mit der Vorstellung, dass wohlwollende freiwillige Zuwendung, also Gnade, möglich sei? Was ist Glaube für eine, der die bedingungslose Liebe Gottes nicht in der Kirche begegnet ist?
Zugegeben, für Letzteres ist sie mitverantwortlich. Sie hat der Kirche mit 23 Jahren den Rücken gekehrt, hat sich für den Alleingang in Glaubensfragen entschieden statt für die Mitwirkung in der Kirche. Dabei wären wir ja alle Kirche. Gemeinsam! Ich habe mich ihr entzogen und damit auch meine Chance vertan, sie zu einer Kirche mitzugestalten, die mir entsprechen würde.
Das bin nun also ich. Eine von vielen, die den Rückzug aus der Kirche vollzogen hat. Eine von vielen, die Fragen zum Glauben hat. Fragen, die auch jene Menschen bewegen, die in der Kirche bleiben, aber durch Absentismus glänzen. Ausser es wird getauft, geheiratet oder beerdigt. Das konsumiert man, dafür zahlt man Kirchensteuer. Eine von vielen bin ich, die anerkennt, dass die drei grossen monotheistischen Weltreligionen Werte vermitteln, die uns Menschen nicht schlecht anstünden, wenn wir sie auch tatsächlich lebten. Ich würde behaupten, mit beiden Beinen im Leben und auf dem Boden zu stehen: Ich bin Mutter einer eigen-ständigen erwachsenen Tochter, habe einen tollen Partner zur Seite, bin eingebunden in ein lebendiges interkulturelles Umfeld, konnte viele verschiedene berufliche Erfahrungen machen. Ich habe bereits einiges erreicht und werde noch immer gebraucht; ich habe Ideen, bin gesund und voller Schaffenskraft. Ich bin ein Menschen, der auf der Sonnenseite des Lebens geboren ist.
Ich könnte das Leben also gelassen angehen. Aber ich tue es nicht. Ich könnte von mir und anderen weniger fordern, aber ich tue es nicht. «Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?» So fragt Jesus. Und daran denke ich, wenn ich an Sommerabenden die Schwalben beobachte, wie sie fliegen um des Fliegens willen; wie sie mit sich, ihren Flugkünsten und der Luft spielen. Wie sie sich freuen, weil sie fliegen können.
Sich freuen am Leben: Es annehmen, statt es zu erkämpfen. Daran arbeite ich. Und nun schreibe ich hier für Sie. Oder für mich. Es ist, wie es ist.