Sie haben Ihr ganzes Leben lang die Öffentlichkeit gemieden. Was ist der Grund, dass Sie jetzt im August öffentlich in Schaffhausen auftreten?
Brigitt Küttel: Grundsätzlich hat sich an meiner Haltung nichts geändert, ich suche die Öffentlichkeit nicht. Als junge Frau nahm ich nie an Anlässen teil, von denen ich wusste, dass Journalisten dort sind. Nach dem Tod meiner Mutter vergangenes Jahr hatte ich verschiedene Medienanfragen und habe diese abgelehnt. Eine Anfrage von der NZZ sowie eine Anfrage der Reformierten Kirche für ein Gespräch in Schaffhausen habe ich dann doch angenommen. Der Grund war, dass in all den Jahren viele unschöne Dinge passiert sind, worüber ich immer geschwiegen hatte, auch um meine Mutter zu schonen. Sie fühlte sich immer sofort schuldig, dass ihre Karriere so einen Einfluss auf mich hatte. Nun soll all das einmal gesagt werden.
Wie schwierig war es für Sie als Tochter der ersten Bundesrätin der Schweiz, eine eigene Identität aufzubauen?
Es war eine Chance und eine Last zugleich. Ich habe dank meinen Eltern viele wertvolle Menschen kennenlernen dürfen, die auch meine Freunde wurden. Gleichzeitig war es nicht einfach, eine eigene Identität zu finden und mir klar darüber zu werden, was ich will und was nicht. Ich habe in meiner Jugend wegen meiner Eltern viele Dinge gleich gemacht wie sie. Ich trainierte beispielsweise Eiskunstlauf wie meine Mutter. Nur war sie erfolgreich, während ich komplett unbegabt war. Ich habe Jus studiert wie meine Eltern, mich dann aber entschieden, einen anderen Weg zu gehen. Es wäre der grosse Traum meines Vaters gewesen, dass ich sein gut laufendes, florierendes Anwaltsbüro übernehme. Ich merkte jedoch, dass das nicht meine DNA ist, und machte mich im Bereich der gemeinnützigen Organisationen selbstständig.
Wie stark war der Druck des Vaters?
Der Druck von meinem Vater war recht gross. Er hatte sich sehr gewünscht, dass ich sein Anwaltsbüro übernehme. Und er war es auch nicht gewöhnt, dass sich jemand anders entscheidet, als er es wollte. Das war schmerzhaft für ihn zu akzeptieren.
Wie standen Sie zur Karriere Ihrer Mutter?
Meine Mutter hat sehr viel für uns Frauen bewegt. Das hat mich mit grossem Stolz erfüllt. Aber es hat mir auch Sorgen gemacht, was sie alles auf sich genommen hat. Schon vor dem Höhepunkt ihrer Karriere, als sie das beliebteste Mitglied des Bundesrates war, hat für mich der Rückzug begonnen. Ich war nicht bereit, mein ganzes Leben der Popularität und dem Erfolg meiner Eltern unterzuordnen. Damals bin ich von daheim ausgezogen, gegen den erbitterten Widerstand meines Vaters. Ich bin in eine kleine bescheidene Wohnung gezogen, bin mit wenig Geld durchgekommen. Zeitlebens hatte ich den Wunsch, als Brigitt gesehen zu werden und nicht nur als Tochter. Als es dann schwierig wurde für meine Eltern, kam ich zurück und stand hinter ihnen.