«In Damaskus lässt man sogar christliche Bauten renovieren»

Religionsfreiheit

Der reformierte Theologe und Menschenrechtsexperte Thomas Schirrmacher äusserte sich am Rande der Berner Tagung «Religionsfreiheit im Fokus» zur Situation in Syrien. 

Herr Schirrmacher, Sie kommen gerade aus Syrien zurück, wie stellt sich die allgemeine politische Lage dar? 

Thomas Schirrmacher: Es herrscht eine grosse Ungewissheit. Niemand kann sagen, wie es genau weitergehen und welche Partei am Ende als Sieger vom Platz gehen wird. Die Drusen werden beispielsweise von den Israeli unterstützt und die Kurden im Norden nach wie vor, wenn auch nicht im selben Ausmass wie noch vor der Regierung Trump, von den Amerikanern. Es sind verschiedene Kräfte und Milizen im Land aktiv, die längst nicht alle unter Kontrolle der Zentralregierung sind, und es ist unmöglich vorherzusehen, was als nächstes passiert. 

Wie steht es um die Religionsfreiheit allgemein und die christliche Minderheit im Speziellen?

Das christliche Leben in Syrien ist so sicher wie schon lange nicht mehr. Die islamische Regierung unter Ahmad al-Sharaa lässt in Damaskus sogar christliche Bauten renovieren und die berühmte «Gerade Strasse» aus der Apostelgeschichte sehr schön neu machen. Zumindest Damaskus, das ja kaum Kriegsschäden aufweist, ist intakt und verhältnismässig sicher. Das gilt insbesondere auch für die Hauptstrassen in und um Damaskus sowie die Verbindungsader zum Libanon. Wir als Vertreter internationaler Organisationen stehen nun vor der Herausforderung, der aus der islamistischen Ecke kommenden Regierung zu erklären, wie wichtig die Religionsfreiheit ist und zu verstehen, welche der Minister einen wirklichen Neuanfang wollen und welche keinen Schnitt zur Vergangenheit vollzogen haben.

Es werden also keine Christen von staatlicher Seite aus diskriminiert oder unterdrückt?

Nun, wenn Christen derzeit diskriminiert oder aus dem Staatsdienst entlassen werden, dann nicht, weil sie Christen sind, sondern weil sie dem Assad-Regime gedient haben. Die sunnitische Regierung vertraut nur den eigenen Leuten. Das ist mit Blick auf die Ära Assad auch irgendwie verständlich. Jedoch ist das für alle unschuldigen Angehörigen von Minderheiten nicht das, was sie sich erhofft haben.

Sie sprachen von Damaskus als relativ sicher. Wie sieht es in den anderen Landesteilen aus?

Das hängt sehr daran, welche Miliz jeweils das Sagen hat und ob es eine Schutzmacht wie Israel gibt. Noch gibt es Gebiete, in denen Ehefrauen geraubt und zwangsverheiratet werden und keiner wagt vorherzusagen, ob sich hier die Zentralregierung auf Dauer durchsetzen kann.