Franz Alt, viele Ihrer Bücher sind zu Bestsellern geworden. Ihr meistverkauftes Buch war «Frieden ist möglich – die Politik der Bergpredigt» von 1983. Seither hat es viele Friedensbrüche gegeben. Ist das Buch vor dem Hintergrund der Kriege in der Ukraine und Gaza bloss Utopie?
Nein. Es hat nicht nur die Friedensbewegung beeinflusst, sondern auch Michail Gorbatschow. Einer seiner sowjetischen Militärberater sagte mir gegenüber: «Wir werden genau das tun, was Jesus in der Bergpredigt vorschlägt; Feindesliebe praktizieren.» Feindesliebe heisst ja nicht 'lass dir alles bieten', sondern richtig verstanden 'sei klüger als dein Feind'.
Sie sagen, Ihr Bergpredigt-Buch habe letztlich den Fall des Eisernen Vorhangs bewirkt?
Nein, so nicht. Das Ende des Kalten Krieges bewirkte Gorbis mutige und intelligente Politik. Er verstand es, Vertrauen zum US-Präsidenten Reagan aufzubauen, der alles andere als ein Pazifist war. Michail Gorbatschov und ich haben uns oft getroffen, wir haben ja auch ein Buch zusammengeschrieben: «Nie wieder Krieg – Kommt endlich zur Vernunft», dieses Buch ist sein Vermächtnis.
2019 vor seinem Tod sind wir uns noch einmal begegnet, und ich habe ihn gefragt, ob es für ihn so eine Art Überlebensprogramm für die Menschheit gebe, und er antwortete mir: «Ja, die Bergpredigt Jesu». Wohlverstanden: Das sagte mir der ehemalige Kommunistenführer, nicht irgendein Friedensaktivist. Und zu diesem Verständnis der Bergpredigt des wunderbaren jungen Mannes aus Nazareth durfte ich Gorbatschow etwas helfen.
Ende 2022 haben Sie Ihr Buch von 1983 unter dem Titel «Frieden ist noch immer möglich – Die Kraft der Bergpredigt» neu aufgelegt. Wie ist Frieden immer noch möglich, was ermutigt Sie trotz Rückschlägen, weiterhin an Ihrem Friedensprojekt festzuhalten?
Seit mehr als 2.000 Jahren gilt der altrömische Grundsatz «Wer Frieden will, muss den Krieg vorbereiten». Ergebnis: 2000 Jahre immer wieder Kriege, Massenelend und Millionen Tote. Solange Kriege vorbereitet werden, werden sie auch geführt. Wie wäre es, wenn wir künftig nach dem Motto leben würden: «Wer Frieden will, muss den Frieden vorbereiten»? Und wie ginge das konkret und praktisch? Unser Bestreben muss sein, in Zukunft den Frieden zu gewinnen und nicht mehr den Krieg.