Man muss genau hinsehen bei der silbrig-schwarzen Harley-Davidson, die immer vor Dan’s Tattoo Atelier in Wettingen steht.«Römer 12,21» und «Lukas 9,23»ist auf den ledernen Sattel gepinselt worden. Es sind diese zwei Bibelstellen, die für Dan Tschanz eine ganz besondere Bedeutung haben: Böses nicht mit Bösem, sondern mit Gutem zu bekämpfen, sowie die Aufforderung Jesu, ihm zu folgen. Beide Verweise auf die Bibelverse hat sich Dan auch auf seinem «Glaubensarm», wie er ihn nennt, tätowieren lassen. Dort sind auch ein Jesusporträt, eine Taube als Heiliger Geist und das Boot des Menschenfischers Jesu zu finden.
Sein eigener Chef. Dan entspricht genau dem Bild, das man sich landläufig von einem Tätowierer macht: kräftig gebaut, Haare zum Rossschwanz gebunden, Arme und Beine flächendeckend tätowiert, Harleyfahrer, er hört gern Rockmusik. Seit zwanzig Jahren ist Tschanz Tätowierer von Beruf. Gelernt hat er das Handwerk in einem kleinen Ort in der früheren DDR.
Wie er dazu kam, kann er nicht mehr sagen. Er zeichnete schon als Knabe gern, und zudem hatte er genug von seiner Tätigkeit als Koch, die er bis dahin während vieler Jahre in Bündner und Tessiner Hotels und Restaurants ausgeübt hatte. Ein passionierter Koch ist Tschanz geblieben, aber nur noch privat. Nun ist er sein eigener Chef. In den letzten zwanzig Jahren hat er schon einige Tausend Leute tätowiert. Darunter auch Pfarrer und Ärzte, denn heute, so erzählt er, liessen sich längst nicht mehr nur «Rocker, Knastis und Asoziale» tätowieren, sondern Menschen aus allen Schichten.
In der Aare getauft. Einer seiner Kunden war ein Theologie- und Musikstudent, dem Dan Tschanz einen Dornenkranz unter die Haut stach. Der Kunde erzählte von Jesus und brachte ihn näher zum Glauben. Schnell trat Tschanz der Pfingstgemeinde bei, liess sich in der Aare taufen – das Datum 14.8.2005 auf seinem Arm zeugt davon.
Gott habe ihn auch von einem Tag auf den andern vom Rauchen befreit, ihn, der 25 Jahre lang bis vier Päckli pro Tag geraucht hatte. Die Pfingstgemeinde be-sucht der Tätowierer nach Möglichkeit jeden Sonntag und
liefert ihr auch einen Zehntel seiner Einnahmen ab. Mit vierzig Jahren hat Tschanzzum Glauben gefunden, seither ist Jesus der Mittelpunkt seines Lebens. «Die Leute sollen wissen, dass ich Christ bin.» Das Evangelium zu verbreiten sieht er als seinenAuftrag. Nicht zwingend auf direkt missionarische Art, wenn er seine Kunden sticht. Doch jeder merke schnell in seinem mit religiösen Motiven vollbehängten Atelier, dass er ein überzeugter Christ sei. Ein Kunde hat ihm einmal gesagt, er kenne keinen, der in so einfachen Worten das Evangelium zu verkünden wisse, das verstehe jeder Zehnjährige.
Hochzeitstag auf dem Arm. Zu Hause aber ist sein Missionseifer nicht gefragt. Seine Frau, mit der er seit 1991 verheiratet ist – auch dieses Datum trägt er auf dem Arm – ist nicht gläubig. Tschanz betet, dass sie zum Glauben findet. Doch er texte sie nicht mit Bibelsprüchen zu. «Ich kann nur ein Vorbild sein.» Sie müsse letztlich selber entscheiden, welche Form des Lebens sie wähle.