Figaro steht einfach da, im Stall. Seinen Besuchern zugewandt hat er seinen Hintern – und seine Ohren. Sandra Begré lacht. «27 Jahre sind wir jetzt schon zusammen unterwegs. Und er hat immer noch Flausen im Kopf.» Das liege auch daran, dass sie bei ihm «so ziemlich alle Fehler» gemacht habe, die man bei Eseln machen könne.
Als soziale Tiere können sie nur in Herden artgerecht leben. Figaro aber war eine entscheidende Phase lang oft allein unter Menschen. So betrachte er diese nun als seinesgleichen, sagt Sandra Begré mit Schalk und Ernst zugleich: «Esel gehen davon aus, dass sie mitbestimmen. Sie sind sehr demokratisch.» Das werde oft als stur angeschaut. Dabei sei es «einfach schlau».
Bescheiden geworden
Figaro kam als Konfirmationsgeschenk zur damals 15-jährigen Thuner Schülerin. Damit begann, was bestimmend wurde für Begré. Heute teilen sich mit ihr, ihrem Partner, ihren Eltern und Figaro die Eseldamen Néla und Aisha und «das Sensibelchen» Bosco ein weites Dach mit Umschwung, ein umgebautes Bauernhaus bei Herzogenbuchsee.
Das Haus scheint gross, ist aber einfach und sinnerfüllt gestaltet. Ähnlich wie das Leben der 42-Jährigen: «Ich bin bescheiden geworden und muss nicht mehr die Probleme der Welt lösen.» Das fühle sich so an, wie wenn die Esel abends einfach im Stall stehen und mampfen. «Ich bin überzeugt, dass es eine Wirkung hat, wenn man sich auf diese Wesen einlässt.»
Konkret erfährt das Sandra Begré beim Eseltrekking mit Kindern und Jugendlichen. Nur mit dem Nötigsten gehen sie raus. Die ungefähre Route steht, zum Schlafen ist kein Ort festgelegt, kein Programm. «Wir gehen bloss mit den Rucksäcken, dem Wissen, der Erfahrung, die wir haben, das braucht unglaublich viel Vertrauen.» Das erste Mal sei sie gestresst gewesen. Aber sie habe erfahren: «Es gibt immer eine Lösung. Zu diesem Grundvertrauen möchte ich die Kinder hinführen.»
Im Studium gerungen
Lange wollte Sandra Begré Tierärztin werden. Schon als Zwölfjährige hat sie mit Erwachsenen «leidenschaftlich über Lebens- und Sinnfragen diskutiert». Kurz vor der Matur setzte sie auf die Theologie, auch dank des Konfirmationspfarrers.
Doch es folgte eine harzige Zeit. «Ich habe stark gerungen, bis ich den Weg fand zu meiner Theologie.» Am meisten störte sie die Fixierung auf den Menschen, das Anthropozentrische. Ihr sei das zu verkopft: «Am wichtigsten ist mir die Verbundenheit zur Erde, mit dem Lebendigen, dem Göttlichen, das Vertrauen. Und das Göttliche ist die Kraft und der Sinn in allem.»
So fand sie zu ihrer Aufgabe, Theologie zu verbinden mit Kräften der Natur. Das bringe ihr Kritik von zwei Seiten. Die Arbeit mit Menschen in der Natur und die Verbindung mit ihren Kräften wird von manchen als unchristlich angesehen. Andere verstünden ihren Einsatz in einer Kirche nicht, die einst Menschen verfolgte, die in Verbindung mit Naturkräften standen.
Nun ist sie Pfarrerin, und zwar gerne. Und zu spüren ist es auch, wenn sie über die Zukunft der Kirche diskutiert und dabei ins Feuer kommt: «In der Kirche können wir noch viel lernen.»