Zum 14. Mal koordiniert die feministische Friedensorganisation cfd die Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen». Der Fokus liegt dieses Jahr auf sexualisierter Gewalt. Wieso ist dieses Thema wichtig?
Agota Lavoyer: Weil es immer noch ein Tabu ist, dass sexualisierte Gewalt auch in unserer Gesellschaft weit verbreitet ist. Auch wenn wir heute mehr darüber lesen und sprechen, #metoo viele Fälle an die Öffentlichkeit gebracht hat, reicht das nicht aus. Eine Kampagne wie diese kann viele Menschen sensibilisieren. Denn ein Umdenken muss stattfinden. Opfer von sexualisierter Gewalt werden immer noch gebrandmarkt. Ihr Umfeld, die Justiz, die Gesellschaft wirft ihnen zu oft vor, dass sie sich vor, während oder nach der Tat falsch verhalten haben. Wir als Gesellschaft schulden ihnen aber eigentlich vorbehaltlose Unterstützung. Zudem wird immer noch viel zu wenig für die Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt gemacht.
Was ist sexualisierte Gewalt?
Sie fängt mit Belästigung an: ein Nachpfeifen auf der Strasse, eine ungewollte Berührung in der Bar, anzügliche Bemerkungen des Chefs, ein ungewollt erhaltenes Penisbild und vieles mehr. Und dann gibt es die massiveren Formen sexualisierter Gewalt: sexuelle Handlungen gegen den Willen einer Person, also Vergewaltigung, sexuelle Nötigung oder Schändung. Sexualisierte Gewalt findet überall statt: im öffentlichen Raum, auf dem Arbeitsplatz, online, aber auch zu Hause – dort, wo man sich eigentlich sicher fühlen sollte. Es ist wichtig zu wissen, dass bei Vergewaltigungen 80 Prozent der Frauen den Täter vorher schon kannten und mit ihm ein Vertrauensverhältnis hatten. Das macht eine richtige Einordnung, das Offenlegen und auch eine mögliche Anzeige viel schwieriger. Dabei ist wichtig, dass wir uns bewusst sind: sexualisierte Gewalt ist nie misslungenes Flirten oder schlechter Sex. Es ist eine Machtdemonstration und eine der schlimmsten Formen der Demütigung, Kontrolle und Abwertung einer Frau.